Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 6, Juni 2018

 

Ärzte in Glogau

vor dem zweiten Weltkrieg

1.Fortsetzung aus NGA 5/2018

von Dr. Karl Maria Heidecker

 




1939 bis 1941 arbeitete bei Dr. Heidecker im Reservelazarett der in Nilbau Krs. Glogau geborene Dr. med. Ernst Karl Schindler geb.am 19.12.1914. Er war der Sohn des Kaufmanns Emil Schindler und dessen Ehefrau Lina. 1924 bis 1933 besuchte er die Oberrealschule in Glogau. 1933 bis 1939 Studium der Medizin an den Universitäten Jena, Rostock, Frankfurt a. M. und Breslau. 1939 Promotionsarbeit am Breslauer Hygiene-Institut. 1940 Approbation als Arzt. 1939 bis 1945 Kriegsteilnahme als Militärarzt, zuletzt als Stabsarzt d. Reserve. Nach schwerer Verwundung im Afrikafeldzug kam er als Verwundeter ins Glogauer Reservelazarett und wurde nach Heilung dort als Assistenzarzt übernommen und konnte dort seine chirurgische Fachausbildung vollenden. Nach dem Krieg kam er nach Bad Wildungen. 1948 bis 1956 arbeitete er als Arzt am Stadtkrankenhaus in Fulda und erwarb dort den Facharzt für Urologie. 1957 wurde er Chefarzt der Versorgungskuranstalt des Landes Hessen in Bad Wildungen. Dort führte er von 1961 bis 1998 auch eine urologische Praxis. Er starb am 9.5.2012 in Bad Wildungen.

Im Januar 1945 wurde Glogau zur Festung erklärt, die die Russen aufhalten sollte. Deshalb wurden alle Verwundeten innerhalb relativ kurzer Zeit in Eisenbahnzüge verladen und mit zunächst unbekanntem Ziel nach Mitteldeutschland, vorwiegend Sachsen-Anhalt, verlegt. Diesen Lazarettzügen wurden Ärzte des Lazaretts und Krankenschwestern zur Betreuung mitgegeben. Das Restkommando von sechzehn Personen, zu dem Dr. Heidecker gehörte, übergab dann das Reservelazarett mit Gebäuden und Einrichtung an die Besatzung eines „Kriegslazarettes", das aber nur wenige Tage in Glogau verweilte. Diese Leute nahmen die wichtigsten ärztlichen Instrumente an sich und verschwanden danach. Mein Vater mit seinem Restkommando bekam den Befehl, am 23.Januar 1945 Glogau in Richtung Sachsen zu verlassen. Er wurde dann in Halle/Saale wieder als Lazarettarzt eingesetzt. Dort erlebte er das Kriegsende. Kurz davor war es sein Verdienst, dem Kampfgruppenkommandeur von Halle einen klugen Plan zu unterbreiten, durch den Halle so verteidigt wurde, dass der Stadt, ihren Bewohnern und den zahlreichen Verwundeten und Flüchtlingen nichts mehr passierte und so die Stadt Halle vor der von den Amerikanern schon angedrohten sinnlosen Zerstörung gerettet wurde. Darüber hatte ich vor Jahren schon im Neuen Glogauer Anzeiger genauer berichtet.

Als Assistenzarzt im St. Elisabeth - Hospital arbeitete bei ihm ab 1937 Herr Dr. med. Adolf Kauczor (geb. 10.7.1911 in Deutsch-Probnitz Krs. Neustadt O/S). Er hatte 1931 am Katholischen Gymnasium in Glogau sein Abitur bestanden und 1931 bis 1936 an den Universitäten Breslau und Würzburg Medizin studiert. 1937 Promotion an der Universitätsklinik Breslau.
Ab 1940 arbeitete Dr. med. Gerhard Muschner *20.7.1916 als Assistent meines Vaters am St. Elisabeth - Hospital. Er stammte aus Glogau und war der Sohn des Lokomotivführers Arthur Muschner und seiner Ehefrau Pauline geb. Herbrig. 1926 bis 1935 besuchte er das Staatl. Hindenburg-Reform-Realgymnasium in Glogau. Nach dem Abitur studierte er von 1935 bis 1940 Medizin an der Universität Breslau. 1941 promovierte er an der Universitäts-Hautklinik in Breslau bei Prof. Dr. Gottron. Auch er wurde dann als Militärarzt eingezogen. Nach dem Krieg wirkte er als Allgemeinarzt in 63263 Neu-Isenburg.
Städt. Krankenhaus mit 58iger Denkmal

Nach dem Krieg fand Dr. Hanns Heidecker seine Frau Hedwig in Schierling/ Niederbayern wieder. Ab September 1945 arbeitete er zunächst in Rüthen an der Mohne Krs. Lippstadt als Chirurg am St. Pantaleons - Krankenhaus. Dazu betrieb er dort auch eine Allgemeinpraxis. 1947 wurde er zum Chefarzt des Heilig-Geist-Hospitals in Bingen gewählt und trat diese Stelle am 15.8.1947 an. Diese Stellung hatte er bis zu seiner Pensionierung am 30.6.1965 inne. Er erlebte in Bingen den ersten Teil des Wiederaufbaus des Ende des 2. Weltkrieges total zerstörten Hospitals und erwarb sich dadurch große Verdienste. Er starb am 4.9.1982 in Bingen.
Am katholischen St. Elisabeth - Krankenhaus in Glogau arbeiteten außer meinem Vater als weitere Ärzte Herr Georg Pollak als Gynäkologe und Geburtshelfer, Herr Dr. med. Alex Otto Gummich als Hals-, Nasen- Ohrenarzt und Dr. med. Karl Hussels als Augenarzt.

Dr. med. Georg Pollak wurde am 24.1.1891 in Eiglau Krs. Leobschütz/OS geboren. Er besuchte das Gymnasium in Boppard und machte dort 1912 sein Abitur. Danach studierte er Medizin an den Universitäten Bonn, Breslau und Münster. 1920 erhielt er in Breslau die Approbation und wurde dort im gleichen Jahr promoviert. 1926/27 arbeitete er als Arzt in Herrnprotsch Kr. Breslau. Nach Abschluss seiner Fachausbildung übernahm er am St. Elisabeth - Krankenhaus Glogau die Stelle des leitenden Gynäkologen und Geburtshelfers. Nach seiner Vertreibung aus Schlesien fand er in Eisleben am Krankenhaus eine neue Wirkungsstätte. Als er pensioniert war, kam er in den Westen und zog zu seinem Sohn Dr. med. Klaus Pollak (geb. Dez. 1932 in Glogau), der in Ludwigsburg als Gynäkologe und Geburtshelfer arbeitete und dort am 29.9.2010 verstarb.

Dr. med. Alex Otto Gummich wurde am 12.6.1891 in Plettenberg/Westfalen als Sohn des Landmessers, Ziegelei-Besitzers und Rendanten Wilhelm Gummich geboren. 1911 machte er an der Oberrealschule in Hagen/Westfalen sein Abitur. 1911 bis 1916 studierte er Medizin an den Universitäten München, Freiburg, Kiel und Berlin, unterbrochen durch Kriegsteilnahme. Während einer Beurlaubung vom Heeresdienst legte er 1917 sein Staatsexamen an der Universität Breslau ab. Im gleichen Jahr promovierte er an der Psychiatrischen und Nervenklinik Breslau. Nach dem Krieg Ausbildung zum Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. 1921 wurde er Leiter der Hals-, Nasen- und Ohrenabteilung am St. Elisabeth -Krankenhaus in Glogau mit einer Praxis am Markt 51.

Dr. med. Karl Hussels erhielt seine Approbation 1912. Seit 1919 war er Augenarzt in Glogau und als solcher auch Belegarzt am St. Elisabeth - Krankenhaus in Glogau. Mehr ist im Lexikon Schlesischer Ärzte nicht von ihm erwähnt.

Am evangelischen Krankenhaus Bethanien wirkten der Chirurg Dr.med. Fritz Metzner, der Frauenarzt Dr. med. Karl Kilian, der Hals-, Nasen- und Ohrenarzt Dr. med. Georg Ernst Zander und der Augenarzt Dr. Karl Jaensch.
Krankenhaus Bethanien

>Krankenhaus Bethanien<

Dr. med. Fritz Hans Metzner wurde am 2.9.1874 in Gerswalde Krs. Templin geboren. Seine Approbation erhielt er 1899. 1901 wird er als Assistenzarzt beim Infanterie-Regiment Nr. 51 in Breslau, danach bis 1905 als Assistenzarzt in den Garnisonslazaretten in Wittenberg, Breslau und Metz erwähnt. 1903 Promotion an der Universität Leipzig. 1905 bis 1908 Assistenzarzt an der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg unter den Professoren Czerny und Narath. 1911 Stabs- und Bataillonsarzt beim Pionier-Bataillon 5 in Glogau. Ab 1912 leitender Arzt der Chirurgischen Abteilung des Diakonissen - Krankenhauses Bethanien in Glogau. 1938 ging Herr Dr. med. Fritz Hans Metzner in den Ruhestand. Er hatte mit Dr. Heidecker ein sehr gutes Verhältnis. Dr. Metzner bat meinen Vater, nach seinem Ausscheiden seine Abteilung, die 22 Betten umfasste, mit zu übernehmen. Dies geschah dann im Einvernehmen mit der Krankenhausleitung. Im Krankenhaus Bethanien arbeitete als sein Assistenzarzt Herr Krol. Er stammte aus dem Sudetenland. Als das Bethanien-Krankenhaus Lazarett wurde, musste er zum Militär einrücken. Er geriet in russische Gefangenschaft und erlebte in dieser viele absonderliche Dinge, u.a. dass man in Russland oberflächliche Wunden nicht, wie bei uns, mit sterilen metallenen Wundklammern verschloss, sondern dadurch, dass man große Ameisen die Wundränder zusammenbeißen lies. Als Krol nach dem Krieg meinen Vater wiedergefunden hatte, regte ihn dieser an, seine ärztlichen Erlebnisse in der Gefangenschaft als Doktorarbeit zu publizieren. Er fand auch einen interessierten Doktorvater und promovierte mit dieser Arbeit, die große Anerkennung fand. Nach dem Krieg arbeitete er dann als Arzt bei einer großen Versicherung.

Dr. med. Karl Kilian wurde approbiert 1910. Nach seiner Fachausbildung zum Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe wurde er leitender Arzt der gynäkologischen und Geburtshilflichen Abteilung des Diakonissenkrankenhauses Bethanien in Glogau. Er starb am 14.2.1937 in Glogau. Sein Nachfolger wurde Herr

Dr. med. Walter Fiegler geboren am 2.7.1899 in Breslau als Sohn des praktischen Arztes Dr. med. Hubert Fiegler. Von 1905 bis 1907 besuchte er die Vorschule von Dr. Mittelhaus, anschließend von 1907 bis 1917 das Elisabeth - Gymnasium in Breslau. Von 1917 bis 1919 diente er beim Heer. 1919 machte er nach einem Kriegsteilnehmerkurs in Liegnitz das Abitur. Von 1920 bis 1925 Studium der Medizin an der Universität Breslau. 1921 wirkte er dazwischen an der Verteidigung Oberschlesiens in einem Freikorps mit. Nach der Approbation 1925 absolvierte er ein praktisches Jahr am Städtischen Krankenhaus in Beuthen/OS. 1926 und 1927 war er Assistenzarzt am Knappschaftskrankenhaus in Senftenberg/Niederlausitz. 1927 Promotionsarbeit an der Universitäts-Frauenklinik bei Prof. Dr. Fraenkel und der Privatklinik von Dr. Schubert in Beuthen/OS. 1928 bis 1932 war er Assistenzarzt im Krankenhaus Neustettin in Pommern unter dem Chefarzt Dr. Grunert. 1933 übernahm er dort die Leitung der Chirurgischen und der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung. Nach dem Tod von Dr. Karl Kilian im Februar 1937 übernahm er in Glogau am Diakonissenkrankenhaus Bethanien die Leitung der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung. 1942 erlitt Dr. Fiegler einen Herzinfarkt. Deswegen fuhr er mit Frau und Sohn für drei Monate nach Bad Kudowa in der Grafschaft Glatz, um sich dort auszukurieren. Da Dr. Fiegler ein Anti-Nazi war, zwang ihn der nazistische Leiter der Ärztlichen Bezirksvereinigung in Glogau Dr. Mehlhausen, Glogau zu verlassen und in Freystadt in einer verwaisten Praxis als Allgemeinarzt zu arbeiten. Nach dem Zeugnis seines Sohnes gelang es seiner kämpferischen Mutter bei den Gesundheitsbehörden in Berlin durchzusetzen, dass Dr. Fiegler wieder in Glogau am Krankenhaus Bethanien arbeiten durfte, bis dieses Lazarett wurde. Danach arbeitete er in seiner ambulanten Praxis weiter. 1945 musste die Familie Glogau verlassen. Nach einer komplizierten Flucht mit dem eigenen Auto kam Dr. Fiegler nach Itzehoe/Holstein, später nach Düsseldorf. Da er in Westdeutschland keine Chefarztstelle an einem Krankenhaus bekam, übersiedelte er nach Köthen/Anhalt, wo Dr. Fiegler wieder eine Möglichkeit fand als Gynäkologe und Geburtshelfer am Krankenhaus zu arbeiten. Die Verhältnisse in der kommunistisch beherrschten DDR waren aber so unerträglich, dass sich Familie Fiegler entschloss, wieder in den Westen zu gehen. Das gelang ihr im Juni 1946. Sie fanden erneut Aufnahme bei Verwandten in Düsseldorf. Schließlich erhielt Dr. Fiegler 1947 die Stelle des Chefarztes der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung im Krankenhaus Tirschenreuth/Oberpfalz. Hier baute er sich eine neue Existenz auf. Aber er litt zunehmend wieder unter Herzbeschwerden und erlitt im Juli 1954 einen zweiten Herzinfarkt, an dem er am 12.7.1954 starb.
Sein Sohn Christian Fiegler studierte zuerst in Erlangen, danach in Frankfurt/Main Medizin. 1957 erhielt er die Approbation und im November dieses Jahres auch die Promotion. Nach einer Assistentenzeit in der Pathologie wurde er dann ab 1.10.1959 für vier Jahre Assistent der Chirurgischen Universitätsklink Frankfurt unter Professor Dr. Geißendörfer. Danach wechselte er an das Nordwest-Krankenhaus, wo Prof Dr. Ungeheuer sein chirurgischer Chef wurde, bei dem er seine Fachausbildung zum Abschluss brachte und zum Oberarzt aufstieg. 1972 wurde er Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Diakonie-Krankenhauses in Bad Kreuznach. Dort plante und erlebte er den Neubau des Krankenhauses als Ärztlicher Direktor und konnte in diesem Neubau noch elf Jahre arbeiten, bis er 31.8.1997 in Pension ging.

Fortsetzung folgt . . .



zum Seitenanfang



zum Seitenanfang