Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 6, Juni 2017

Tschepplau (Langemark)

Eine heimatkundliche Betrachtung von Siegbert John

1. Fortsetzung aus NGA 5/17

Seit Mitte des 16. Jahrhunderts hatte sich der Landadel des Fürstentums Glogau größtenteils der lutherischen Lehre zugewandt. Die Untertanen folgten diesem Beispiel. Nach 1653 gab es unter der Ritterschaft des Fürstentums Glogau, das (nach Grünhagen) etwa 300 Rittersitze zählte, nur 3 bis 4 Personen, die dem katholischen Bekenntnis anhingen. — Von der Mitte des 16. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts waren allein aus dem Kreise Glogau mehr als 30 Kirchen in die Hände der Evangelischen übergegangen, so auch die Kirche in Tschepplau.
Bald nachdem die evangelische Gemeinde Glogaus ihren Gottesdienst in der neuerbauten Friedenskirche begonnen hatte, machte der Kaiser von der durch den Westfälischen Frieden ihm zuerkannten Befugnis Gebrauch, nun nach dem Grundsatz „Wessen das Land, dessen die Religion" in seinen schlesischen Erbfürstentümern sämtliche Kirchen, die an Protestanten übergegangen waren, den Katholiken zurückzugeben. Mit dieser sogenannten Kirchenreduktion wurde die Gegenreformation eingeleitet, die wegen ihrer harten Maßregeln im Herzen der meist protestantischen Schlesier eine tiefe Erbitterung gegen das Herrscherhaus hervorrief. — Kaiserliche und bischöfliche Kommissare reisten von Pfarrdorf zu Pfarrdorf und forderten den adligen Kirchenpatronen die Kirchenschlüssel ab. Es gab kaum einen merklichen Widerstand der adligen Patrone und Ortsgeistlichen. Die Prädikanten wurden zudem aus dem Fürstentum verwiesen, dem Kirchenschreiber der Schulunterricht verboten. Diese große Kircheneinziehung begann im Fürstentum Glogau bald nach dem Christfest des Jahres 1653. Am 12. Januar 1653 wurde auch die evangelische Kirche in Tschepplau geschlossen und den Katholiken übergeben. — Aus Einzelberichten geht hervor, dass die Ortschaften damals entvölkert, ausgeplündert oder sogar eingeäschert waren und ein „Bild des Jammers" boten. Auch von den Kirchen standen oft nur noch die Mauern, Glocken waren gestohlen, Pfarrhäuser ausgebrannt. Fast überall fehlten die Kirchenbücher.
Während der Nachbarort Kuttlau nachweislich im 17. Jahrhundert schon einen Ludimagister (Schulmeister) hatte, lag der Schulunterricht in Tschepplau noch in den Händen des Kirchenschreibers. Als ein Edikt 1654 auch die Absetzung der evangelischen Lehrer gebot, wanderten viele protestantische Familien aus. (Und das in einer Zeit, als eine Anzahl Dörfer ganz verschwunden oder ausgestorben waren und sich die Zahl der Bürger in Glogau von 2500 auf 20 verringert hatte.)
Durch all diese Gewaltakte hat das Habsburgische Haus die durchweg evangelischen Schlesier um ihre Anhänglichkeit gebracht, zumal niemals einer der Herrscher von Ferdinand I. an bis 1740 Schlesien selbst betreten hat. (Zum großen Teil war es auch auf die Periode der Bedrängung friedlicher Bürger durch die Liechtensteiner zurückzuführen, dass ein reichliches Jahrhundert später die Schlesier den preußischen Einfall in Schlesien so freudig begrüßten.)
Nach der Eroberung Schlesiens durch Friedrich den Großen ließ er seine Religion, wie das sonst überall gültig war, zur Staatsreligion erheben. Er ließ die Kirchen- und Pfarrernot beheben, indem er evangelische Geistliche aus Brandenburg in Schlesien einsetzte. Die neuen evangelischen Geistlichen durften sich nicht Pfarrer, sondern „Pastor" nennen, was sich dann einbürgerte. Eine der unbenutzt stehenden kath. Kirchen erhielten die Evangelischen nicht zurück. Viele evangelische Gemeinden mussten sich jahrelang mit Hütten, Scheunen und Magazinen begnügen, um ihren Gottesdienst überhaupt abhalten zu können. Mehrere Pfarreien des Landkreises wurden geschlossen oder anderen Pfarreien zugeteilt. (So Linden und Guhlau zu Tschepplau!) Der in Guhlau eingesetzte Pfarrer Ignatz Ziesler musste auf Antrag des Scholzen und der Gerichte den Sonntagsgottesdienst abwechselnd in Tschepplau und Guhlau abhalten. Als Nachfolger wurde im Jahre 1726 Michael Franz Daumann in Tschepplau vom Bischof eingesetzt. Erst nach der 1742 erhaltenen Konzession berief Tschepplau Johann David Tschörner zum Pastor, der bis zum Bau eines Bethauses (1754) ebenfalls in einer „herrschaftlichen" Scheune predigen musste. Später entstand ein Bethaus, das lange die Gemeinde vereinte, bis eine neue Kirche gebaut werden konnte.
Nicht nur Religionskriege und -zwistigkeiten, vor allem „der schwarze Tod" und die folgenden Hungersnöte dezimierten die Bevölkerung in Stadt und Land Glogau erheblich. Diese Schrecken wiederholten sich in den Jahren 1026, 1295, 1315, 1362, 1437 und hatten wohl ihren Höhepunkt im 16. und 17. Jahrhundert. Sogar im Jahre 1709 wurde die Pest im Dorfe Schloin durch ererbte Kleider aus Kursdorf eingeschleppt. Um 1631 wütete die Pest so verheerend, dass man die Toten kaum begraben konnte und manche Dörfer unseres Landkreises menschenleer und verödet waren.
Aber auch der Krieg forderte immer wieder seine Opfer von den Schlesiern und Glogauern aus Stadt und Land. Als Friedrich II. das Heer nach Glogau marschieren ließ, erbitterten ihn die barbarischen Verwüstungen der Russen aufs äußerste. „Gestern", schrieb er am 25. September an Fouqué, „haben die Kanaillen zwei Dörfer vor unseren Augen verbrannt (es ist nicht bekannt, um welche Dörfer es sich handelte), ohne dass man es hindern konnte." Auch das aufblühende Städtchen Neusalz mit seiner Herrnhuterkolonie hatten die Russen am 24. und 25.9. ganz niedergebrannt. Ebenso waren die Weinberge von Grünberg, das selbst geplündert wurde, sehr beschädigt.
Besonders für die Bewohner der rechten Oderseite begann nach dem Übergang der Russen über die Oder eine überaus traurige Zeit, da sie den rohen Gewalttätigkeiten der Feinde, besonders der Kosaken, ausgesetzt waren. Die Russen lagerten bei Hammer, Kuttlau und Tschepplau und unternahmen fast täglich Requisitionen und Plünderungen. Über den Umfang der Schäden und Zerstörungen in Tschepplau selbst sind keine Berichte vorhanden.
Immer, wenn unsere Kreisstadt Glogau in Not und Bedrängnis geriet, mussten auch die Dörfer und Gemeinden des Landkreises Opfer bringen. Aufzeichnungen und Hinweise unter Benennung der Dorfnamen sind leider selten. Während der Schlesischen Kriege, während der „Franzosenzeit" und der Befreiungskriege wurden hauptsächlich die unmittelbar „um die Festung Glogau" liegenden Dörfer in die Kampfhandlungen einbezogen. Auch bei Glogischdorf, Kuttlau und Höckricht kam es zu „Scharmützeln", während Tschepplau immer wieder unter durchziehenden Kohorten zu leiden hatte. So liegt auch ein Bericht aus dem Jahre 1624 vor, wonach ein Korps von 6 bis 8000 Kosaken, die in Polen geworben waren, um die österreichischen widerspenstigen Stände zur Huldigung zu zwingen, dem Entschluss des Kaisers gemäß entlassen und den Rückzug durch Schlesien nehmen sollten. Burggraf zu Dohna erhielt den Auftrag, die wilden Horden mit 8 Fähnlein, die damals in Hirschberg lagen, bis zur Grenze zu drängen. Der Marsch, auf dem Grausamkeiten, Rohheiten, Unzucht und Räubereien in zahlloser Menge verübt wurden, ging letztlich über Glogau, Tschepplau bis Schlawa, wo die zügellosen Horden durch den kaiserlichen Commissarius ihren Sold erhielten und nach Polen verabschiedet
wurden.

Wird fortgesetzt

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