Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 6, Juni 2013

Die Geschichte und Entwicklung des Glogauer Heimatbund e.V.

11. Die Bezirksgruppen und Ortsgemeinschaften
11.7 Die Ortsgemeinschaft Rädchen von Dietmar Flöter

 

28. Fortsetzung aus NGA05/2013

 

Ehepaar Flöter

>Ehepaar Flöter im Gespräch mit einer Rädchener Heimatfreundin<

Die in unserer Heimatgruppe zusammengefassten Heimatfreunde stammen überwiegend aus Rädchen, Kreis Glogau.
Rädchen ist ein Ortsteil von Hammer und liegt unmittelbar am Schlawaer See (Schlesiersee), etwa 1 km westlich von Schlawa. Bis zur damaligen Kreisstadt Glogau sind es etwa 15 km. Die Vorkriegseinwohnerzahl betrug 1939 etwa 250 Personen. Ein kleines Dorf also, überwiegend durch landwirtschaftliche Betriebe verschiedener Größe geprägt. Das Leben in Rädchen und seine Jugendjahre in diesem Dorf hat unser Heimatfreund Prof. Dr. Gottfried Schröter in zahlreichen Beiträgen im NGA ausführlich berichtet.

Doch dann kam der Krieg. Als die Front im Osten immer näher rückte, wurde am 27. Januar 1945 auch in Rädchen ein Treck zusammengestellt: 14 Bauern mit Pferd und Wagen, Männer, Frauen und Kinder. Im Treck eingebunden waren auch noch viele andere Dorfbewohner und auch Leute (Bomberopfer) aus dem Ruhrgebiet, die 1939 zu uns evakuiert worden waren. Die meisten Männer im Treck waren alt, alles was wehrtüchtig war, wurde ja eingezogen. Über die Flucht hat Heimatfreund Kurt Thiel im NGA 3/2009 berichtet. Unser Treck ging über Obersiegersdorf, Rückersdorf, Rotwasser, Aschitzau nach Sachsen. Von dort weiter über Sächs. Haugsdorf, Nieder-Halbendorf, Gersdorf, Rangersdorf, Weigersdorf, Caminau, Großbaselitz, Laußnitz - über die Elbe - Prositz, Eulitz, Rochlitz, Schwaben, Niederlungwitz, Langenberndorf nach Thüringen. Dann weiter über Kleinreinersdorf, Langenwetzendorf, Wolfshain, Weckersdorf nach Zollgrün.Gruß aus Rädchen

Das war dann auch am 22.3.1945 Zielort und Endstation unseres Trecks. Von dort aus konnten in den nächsten Jahren die meisten in der Umgebung Fuß fassen, so dass sich die ehemaligen Bewohner von Rädchen in einer relativ begrenzten und überschaubaren Region der Umgebung von Zollgrün (bzw. Thüringen und Sachsen) einen neuen Wohnsitz schaffen konnten.
Als nach dem Fall der Mauer bzw. der Wende auch in der ehemaligen DDR ein Zusammenschluss der Ostvertriebenen zu Heimatverbänden möglich wurde, kam es 1991 auch zur Gründung einer Heimatgruppe Rädchen. Ehepaar Pretzel

>Ehepaar Pretzel. Gründer u. Leiter der Ortsgemeinschaft v. 1992-1999<

Eine kleine Gruppe (Charlotte Weber, Waltraut Sachse und Reinhard Pretzel) hatten Anschriften ehemaliger Rädchener zusammengestellt und für den 16. und 17. Mai 1992 nach Tanna eingeladen. 73 Teilnehmer kamen, davon waren 41 „echte" Rädchener. Das waren etwa 51 % der noch Lebenden aus Rädchen. 1992 lebten noch etwa 80 von ehemals (1939) etwa 250 Einwohnern. Sprecher der Dorfgemeinschaft Rädchen im GHB war bis zu seinem Tod 1999 Reinhard Pretzel. Seit 2000 und bis heute ist Diethard Flöter Leiter und Sprecher dieser Heimatgruppe.

Die Treffen der Ortsgemeinschaft sind einmal jährlich. Sie finden in Tanna (Ortsteil Zollgrün) statt, also in Thüringen. Das erste Heimattreffen, 47 Jahre nach der Flucht war am 16./17. Mai 1992 in Tanna-Frankendorf Krs. Schleiz. R. Pretzel konnte 73 Besucher begrüßen. Er hat darüber im NGA 2/92 berichtet. Unser Treffen am 28. und 29. Mai 2005 galt der Erinnerung an Flucht und Vertreibung vor 60 Jahren (am 27.1.1945). Es kamen 50 Personen. In den ersten Jahren nahmen immer über 50 Heimatfreunde an unseren Zusammenkünften teil. Alters- und gesundheitsbedingt sind es jetzt nur noch etwa 30 Heimatfreunde, die wir erwarten können.

Die Treffen der Ortsgemeinschaft waren frei gestaltet. Wir haben für die Ausgestaltung kein festes Konzept. Die langsamen Veränderungen in unserem Heimatdorf Rädchen nach unserer Vertreibung waren aber immer ein Thema. Erinnerungsbilder wurden herumgereicht und besprochen. Auch aktuelle Ereignisse wurden diskutiert, besonders wenn sie im Zusammenhang mit unserer schlesischen Heimat stehen. Und natürlich gibt es auch Gespräche über unsere Reisen in die Heimat.

1996 und 2002 haben wir eine Busreise unserer Heimatgruppe nach Rädchen organisiert. Daneben gibt es bis heute private Reisen einzelner Mitglieder nach Rädchen. Die dabei geknüpften Kontakte zu den heutigen Bewohnern verliefen problemlos. Natürlich hat sich nach dem Kriege einiges in Rädchen verändert. Rädchen

Besonders im Sommer zählt auch heute noch der Schlesiersee zu dem beliebtesten Naherholungsgebiet der Glogauer.

Unsere Verbindungen zum Vorstand des Glogauer Heimatbundes sind locker. Sie laufen eigentlich nur über den Neuen Glogauer Anzeiger, wo wir seit 2001 fortlaufend über unsere Ortsgemeinschaft Rädchen berichtet haben.

Am Schlesischen Meer

Ersehnte Stunde, die das Herz erwählt:

Frühnebel weben ihre weißen Schleier,

und nirgends Möwen, kaum ein Silberreiher –

es schweigt der See, und nur das Schilf erzählt.

 

Moränensee, den Wald und Wiese säumt:

viel Stürme sind ins Antlitz dir geschrieben,

die Nacht- und Morgennebel sind geblieben –

Schlesisches Meer, versonnen und verträumt.

 

Seerosen blühen, wenn die Sonne steigt,

ein Haubentaucher sucht verstört das Weite

und Wasserhühner auf der Sonnenseite

des Wasserspiegels, und es zirpt und geigt

 

vom Ufer her, es lockt und jubiliert

im ungewissen, wo die Inseln liegen,

wohin gedankenschnell die Schwalben fliegen

und sich der Blick ins Endlose verliert.


Hermann Otto Thiel


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