Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 10, Oktober 2011

Die Geschichte und Entwicklung
des Glogauer Heimatbund e.V.

8. Fortsetzung aus NGA9/2011

 

7. Manfred Liersch
(1999 - 2000)

Manfred Liersch

Nachdem Hans Joachim Schelenz als Bundesvorsitzender des Glogauer Heimatbundes zurückgetreten war, übernahm Heinz Knappe, der 1. stellvertretende Vorsitzende, kommissarisch dessen Leitung, die er ein halbes Jahr lang inne hatte.

Am 10. Juli 1999 fand im Rahmen des Schlesiertreffens zu Nürnberg eine außerordentliche Mitgliederversammlung statt. Nach erregter Personaldebatte wurde in aufgeheizter Atmosphäre schließlich Manfred Liersch zum Bundesvorsitzenden des Glogauer Heimatbundes gewählt.
Mit Manfred Liersch trat das erstemal ein sogenannter „Bekenntnisschlesier“ an die Spitze des Glogauer Heimatbundes: Er ist weder in Schlesien geboren noch hatte er dort seinen Wohnort, sondern kam am 14. Juli 1954 in Karlsruhe zur Welt. Sein Vater Martin, ein echter Wiesauer, war Agraringenieur und verzog nach Braunschweig, wo er sich in der dortigen Bezirksgruppe des Heimatbundes engagierte und darüber hinaus einige Jahre dem Gesamtbund als Schatzmeister und damit als Vorstandsmitglied diente. In schlesischer Familientradition aufgewachsen, übernahm Manfred Liersch, nach dem Tod seines Vaters, ab 1. Dezember 1986 als junger Mann das Amt des 2. stellvertretenden Vorsitzenden des Heimatbundes, das er bis 1996 inne hatte. Zu seinen Verdiensten gehört es, die Geschäftsstelle des Heimatbundes in Hannover EDV-tüchtig gemacht zu haben.
Zum beruflichen Werdegang von Liersch ist zu sagen, dass er nach dem Schulabschluss Betriebswirtschaft studierte, bei der bekannten Firma Kienzle in Villingen und beim Siemens-Konzern in Hannover arbeitete und dann, bis jetzt, bei der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft und deren Rechtsnachfolgern in Braunschweig im Bereich Datenverarbeitung beschäftigt ist.
Liersch ist evangelisch, in zweiter Ehe verheiratet und hat zwei Töchter aus erster Ehe.
Im Heimatbund setzte er sich sehr aktiv für gute Kontakte der aus dem Glogauer Land vertriebenen Deutschen mit den jetzt dort lebenden Polen ein. Seinen Bemühungen, Jugendliche zum Mitmachen im Glogauer Heimatbund zu veranlassen, blieb letztlich aber der Erfolg versagt.
Im November 1997 erklärte Liersch seinen Rücktritt vom Vorstandsamt und den Austritt aus dem Glogauer Heimatbund.
1998 wieder in den Heimatbund zurückgekehrt und zum Vorsitzenden gewählt, trat Liersch nach nur einjähriger Amtszeit, in der es große Differenzen mit dem dann ausgeschiedenen 1. stellvertretenden Vorsitzenden Hans-Gerd Grundmann gab, im Juni 2000 aus persönlichen Gründen erneut zurück (anonyme briefliche Angriffe gegen ihn).
In seiner Amtszeit brachte er sich in die vom Glogauer Heimatbund geplante Ausstellung „Glogau – Bilder einer Stadt in Schlesien“, ein. Zur feierlichen Eröffnung am 9.11.1999 im Neuen Rathaus von Hannover, mit hochrangigen Gästen, wie dem Oberbürgermeister, hielt Liersch die Begrüßungsrede.
Liersch war ein engagierter Unterstützer der Idee von Dr. Klaus Schneider für ein deutsch-polnisches Denkmal zur Erinnerung an die Vertreibung in Glogau. Bei der am 27. Mai 2000 erfolgten Einweihung hielt er – kurz vor seinem Rücktritt als Bundesvorsitzender – eine Ansprache.
Sein besonderes Interesse gilt dem Dorf Wiesau, das 1938 unter diesem Namen u.a. mit Groß Logisch zusammengeschlossen wurde, wo der Großvater von Manfred Liersch als Bauer lebte. So erreichte er, dass im Jahre 2005 in Wiesau eine Gedenktafel zur Erinnerung an die früheren deutschen Bewohner des Ortes eingeweiht wurde, und er gab und gibt ein „Wiesauer Blättel" heraus. Wenn sich in der Zentrale des Glogauer Heimatbundes Probleme mit dem Computer ergeben, reist Liersch aus Braunschweig an und bringt alles wieder "zum Laufen".

8. Maria Schalm
(2000 - 2002)

Maria Schalm

Wegen des Rücktrittes des Bundesvorsitzenden Manfred Liersch fand im Verlaufe des Glogauer Heimattreffens des Glogauer Heimatbundes in Ronneburg (Thüringen) wiederum eine außerordentliche Mitgliederversammlung statt.
Am 4. Juni 2000 wählte diese Maria Schalm aus Lehrte zur neuen Bundesvorsitzenden. Ihre Wahl und die des gesamten neuen Vorstandes erfolgte einstimmig.
Marie Hamsch - so der Geburtsname - wurde am 27. Oktober 1922 als Tochter eines Postbeamten in Sprottau geboren, kam nach den üblichen vier Volksschuljahren in die dortige Höhere Töchterschule und wohnte nach der Versetzung des Vaters zum 1. Oktober 1934 in Glogau, Königstr. 45. Dort besuchte sie die Städtische Mädchen-Mittelschule, Kasernenstr. 2, bis zum Ostern 1939 erfolgten Abschluss „Mittlere Reife". Dann absolvierte sie ein halbjähriges Pflichtjahr auf dem Rittergut der bekannten Familie v. Jordan in Baunau bei Alteichen und sechs Monate Reichsarbeitsdienst. Es folgten die berufliche Tätigkeit als Reichsbahngehilfin im Glogauer Bahnhof und als Sekretärin.
1943 heiratete sie in Glogau den Kaufmännischen Angestellten Heinz Schalm (+1961) und wurde 1944 erstmals und 1952 zum zweitenmal Mutter (1 Sohn und 1 Tochter).
Die im Januar 1945 unternommene Flucht vor der herannahenden Kriegswalze führte Frau Schalm nach Stangendorf bei Zwickau in Sachsen. Sie ließ sich in Lichtenstein zur Lehrerin ausbilden, arbeitete als solche an einer Grundschule, ging 1948 mit ihrem kleinen Sohn „schwarz“ über die Zonengrenze und lebte im niedersächsischen Stadthagen. 1955 zog die Familie nach Hannover. Frau Schalm arbeitete in verschiedenen Firmen und zuletzt bis 1982 im Büro des Superintendenten des Kirchenkreises Hannover-Linden.
1955 schloss sie sich in Hannover dem Glogauer Heimatbund an, wurde 1975 Schriftführerin und Mitglied des Bundesvorstandes, und 1986 übernahm sie das sehr wichtige Amt der Bundeskassenwartin. Von 1989-1992 war sie kommissarische Leiterin der Bezirksgruppe Hannover des Heimatbundes, und für das 1991 erschienene Buch „Das war Glogau“ verfasste sie den Beitrag über die Städtische Mädchen-Mittelschule.
Nach dem Rücktritt von Manfred Liersch sprang sie 2000 in die Bresche und ließ sich zur Bundesvorsitzenden wählen.
Als solche sorgte sie für eine größere Transparenz der Arbeit des Vorstandes, indem sie in der Heimatzeitung über die in Hannover behandelten Themen und die Entscheidungen berichtete, also quasi die Leser auf dem Laufenden hielt.
Am 31. März 2001 trafen sich 25 Glogauer, von nah und fern angereist, im oberfränkischen Staffelstein zu einem Seminar, an dem sie und andere Vorstandsmitglieder teilnahmen und Grundsätzliches und Aktuelles besprachen, u.a. den erschreckenden Rückgang der Mitgliederzahl des Heimatbundes durch Tod und die Notwendigkeit der Werbung jüngerer Mitglieder. Die Leiter bzw. Leiterinnen der Ortsgemeinschaften konnten über ihre Tätigkeit informieren. Ebenfalls im Jahre 2001 ließ sich eine erhebliche Reduzierung der Herstellungskosten des NGA erreichen.
Die von ihren Vorgängern auf den Weg gebrachten Kontakte zum jetzigen Glogau pflegte Frau Schalm weiter. Im April 2001 fuhren sie und Eberhard Schramm, der Redakteur der Heimatzeitung, nach dort. Sie taten dies, obwohl eine löbliche Absicht gescheitert war: Die früheren deutschen Bewohner von Polkwitz hatten 2.400 DM gesammelt, um in ihrem früheren Wohnort eine Gedenktafel mit dem Text „Zur Erinnerung an die einst deutsche Bevölkerung dieser Stadt“ – im Namen der Versöhnung anzubringen, doch der polnische Stadtrat lehnte das Wort „deutsche“ ab, und so kam keine Gedenktafel an das alte Rathaus.

Ein schweres, belastendes und bis heute nicht gelöstes Problem der kurzen Amtszeit von Maria Schalm waren die Überlegungen für eine würdige Beisetzung der bei dem Endkampf um Glogau getöteten und in der Nähe des Schlosses liegenden Deutschen.
Am 11. und 12. Mai 2002 fand in Hannover das 25. Bundesheimattreffen der Glogauer aus der Stadt und dem Landkreis, verbunden mit dem 50jährigen Bestehen der Patenschaft von Hannover für die Glogauer, statt, Marie Schalm kandidierte nicht mehr für den Vorsitz und wurde zur Ehrenvorsitzenden ernannt. Am 25. Mai 2002 sprach sie bei der (Neu-) Einweihung des Glogauer Rathauses ein Grußwort.
Sie setzt bis heute (2011) - mit ihrer ruhigen Art - ihre überaus verdienstliche Arbeit für die vertriebenen Glogauer fort und kommt jede Woche aus Lehrte in die Heimatstube. Ihr Ressort ist die Beantwortung von Anfragen aus/zur Vorgeschichte des Krieges in Glogau, wobei ihr der „Blaschke“ und das Archiv des Glogauer Heimatbundes eine wichtige Hilfe sind. Durch ihre beruflichen Erfahrungen als Lehrerin und Sekretärin besonders qualifiziert, setzt sich Maria Schalm seit vielen Jahren bei der redaktionellen Korrektur aller Artikel des NGA ein.
Im Jahre 2004 verlieh ihr der Bundespräsident die "Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland".

9. Reinhold Marquardt
(2002 – 2004)

Reinhold Marquardt

Bei der intensiven Suche für die Nachfolge von Frau Schalm stellte sich Reinhold Marquardt, aus Hemmingen als Kandidat zur Verfügung und wurde im Rahmen des 25. Bundesheimattreffens des Glogauer Heimatbundes am 12. Mai 2002 in Hannover-Wülfel mit 61 Stimmen bei einer Enthaltung zum Bundesvorsitzenden gewählt.
Reinhold Marquardt wurde am 17. Juli 1926 in Glogau geboren, doch seine Eltern besaßen in Trebitsch, Kreis Glogau, eine Landwirtschaft, und so wuchs er in diesem Dorf, das 1937 im Zuge der Ersetzung slawischer Ortsnamen durch deutsche Bezeichnungen in Rodetal umbenannt wurde, auf. Hier besuchte er auch die Volksschule, kam aber 1940 zu seinem Onkel nach Witten/Ruhr, wo er die Lehre in einer Eisenwarenhandlung begann und zur Handelsschule ging. Im Herbst 1943 zum Reichsarbeitsdienst einberufen und anschließend zur Wehrmacht eingezogen, stand er im Krieg gegen die Sowjetunion an der Front, geriet in Gefangenschaft und hatte das Glück, schon 1945 freigelassen zu werden.
Er arbeitete dann bei verschiedenen Firmen - an uns nicht bekannten Orten - im Innen- und Außendienst und zog anscheinend 1990 von Holzminden nach Hannover, wo er Arbeit fand. 1991 schloss er sich dem Glogauer Heimatbund an, und bereits im nächsten Jahre übernahm er die Leitung von der Bezirksgruppe Hannover. Damit gehörte er satzungsgemäß auch dem Beirat des Heimatbundes an. Von Mai 1994 – Mai 1998 war Marquardt auch Beiratsvorsitzender.
Als Bundesvorsitzender setzte er, mit großer Unterstützung durch die Büromitglieder, die Arbeit seiner Amtsvorgänger fort, auch in Richtung der Kontakte zu den Behörden seiner nun polnisch regierten Heimatstadt.
Einer Einladung zu den Feierlichkeiten anlässlich der Verleihung des Stadtrechtes an Glogau vor 750 Jahren leistete er im Oktober 2003 Folge. Bei einer Ausstellung im Schlossmuseum konnten auch viele aus Hannover ausgeliehene Exponate besichtigt werden.
Vom Geschehen in der Amtszeit Marquardts ist hervorzuheben, dass am 3. und 4. Mai 2003 in Lichtenfels/Bayern ein Treffen besonderer Art stattfand: Das 71. Heimattreffen der sehr regen Bezirksgruppe Franken wurde mit einem Treffen des Gesamtbundes verbunden. Es war ein „Glogauer Heimattreffen“, zeitlich in die Mitte der turnusmäßig alle zwei Jahre stattfindenden Glogauer Bundesheimattreffen eingeschoben. Etwa 350 Heimatfreunde besuchten diese gelungene Veranstaltung.
Reinhold Marquardt war verheiratet und hatte 6 Kinder, doch die Ehe wurde geschieden. Seine neue Lebenspartnerin betätigte sich eifrig im Heimatbund, starb im September 2003, und er kandidierte, fast 78jährig, im Mai 2004 nicht mehr als Vorsitzender des Gesamtbundes, behielt aber den Vorsitz der Bezirksgruppe Hannover. Am 5. September 2005 wurde der Heimatbund über seinen Tod informiert. Man hatte Marquardt tot in seiner Wohnung in Hannover-Hemmingen gefunden, der (genaue) Tag seines Sterbens ist nicht bekannt.
Der Heimatbund würdigte den gern geleisteten Einsatz seines zwei Jahre amtierenden Vorsitzenden im Jahre 2004 mit der Verleihung der „kleinen goldenen Ehrennadel“.
Fortsetzung folgt . . .

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