Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 8, August 2011

Die Geschichte und Entwicklung
des Glogauer Heimatbund e.V.

6. Fortsetzung aus NGA7/2011

 

6. Hans Joachim Schelenz
(1984-1998)

Hans Joachim Schlenz

Am 13. Oktober 1984 wählte der Glogauer Heimatbund im Rahmen seines 17. Bundesheimattreffens den Oberstudienrat i.R. Hans Joachim Schelenz aus Eschwege zu seinem Bundesvorsitzenden.

Hans Joachim Schelenz wurde am 9. April 1919 zu Görlitz in der schlesischen Oberlausitz geboren, verbrachte dort auch die Volksschulzeit und die ersten Gymnasialjahre und kam 1931 infolge einer Versetzung des Vaters, eines Vermessungs-Obersekretärs, nach Glogau, wo die Familie in der Weißenburgstr. 5 wohnte. Er besuchte das Staatliche Evangelische Reform-Realgymnasium und war damit einer von ganz wenigen Katholiken, auf der “Grünen Penne". Auffallend ist auch, dass er von 1929 bis 1936 dem sehr bewusst katholischen Schülerbund "Neudeutschland" angehörte. Nach dem 1938 abgelegten Abitur absolvierte er das Pflichthalbjahr im Reichsarbeitsdienst in Hierlshagen im Sprottebruch und kam anschließend zur Artillerie in der Glogauer Lüttich-Kaserne (Regiment Nr. 54). Im Kriege nahm er an den Feldzügen in Polen, Frankreich und in der Sowjetunion teil, wurde Oberleutnant und Batterieführer und geriet im Juli 1944 verwundet in sowjetische Kriegsgefangenschaft: Lazarett, Arbeitslager an der mittleren Wolga, bis August 1949 - fünf lange und sicherlich sehr schwere Jahre. Nach der Entlassung begann der damals bereits Dreißigjährige mit dem Studium der Philologie, das ihn an die Universitäten Tübingen, München und Frankfurt a.M. führte und 1957 mit dem wissenschaftlichen Staatsexamen in Deutsch und Französisch abgeschlossen wurde. Der Referendarausbildung in Darmstadt und dem pädagogischen Staatsexamen folgten die Berufsarbeit als Gymnasiallehrer in Darmstadt, Dreieich und Eschwege, und 1984 die Pensionierung beim Erreichen der Altersgrenze.

Nun hätte sich Schelenz dem „otium cum dignitate", wie es der römische Schriftsteller Cicero nannte, der "Muße mit Würde", hingeben können, doch fühlte er sich noch nicht alt genug dazu, sondern übernahm bald nach dem Eintritt in den dienstlichen Ruhestand noch 1984 das Amt des Vorsitzenden des Glogauer Heimatbundes, obwohl er dort bis dahin nicht hervorgetreten war. So kann man ihn formal als Quereinsteiger sehen, aber er liebte die Glogauer Heimat, die Position an der Spitze des Heimatbundes wurde frei, man suchte einen neuen Leiter - da passte manches gut zusammen.

Schelenz ging mit Schwung, Elan und viel Gestaltungswillen an die Arbeit. Bereits in der drei Wochen seit seiner Wahl durchgeführten 1. Vorstandssitzung legte er eine von ihm erstellte neue Geschäftsordnung vor, ließ die Anschaffung einer EDV-Anlage beschließen und trug seine Sorge über die abnehmende Mitgliederzahl des Heimatbundes vor, dabei auch auf die Abhaltung eines Seminars zur Gewinnung jüngerer Schlesier abzielend. In seinem ersten vollen Amtsjahr, 1985, war Schelenz sehr aktiv. So fand das Seminar vom 3.-5. Mai im Haus Glogau in Hannover statt und wurde von den Teilnehmern gut angenommen. Der Vorsitzende bemühte sich mit Erfolg um guten Kontakt zu den Bezirksgruppen, was durch seine Anwesenheit bei den 30-Jahr-Feiern der Bezirksgruppen Bodensee, Braunschweig und Hamburg und den Besuch einer Veranstaltung der Bezirksgruppe Berlin dokumentiert wurde. Die Gründung einer Bez. Gr. im mittelfränkischen Nürnberg wurde erwogen, aber nicht verwirklicht, wohl auch, weil zwar viele aus Glogau Geflüchtete und Vertriebene nach Franken gelangt waren, aber dort bereits in der Bezirksgruppe Franken „heimatliche Luft schnuppern“ konnten.

Aus dem kulturellen Bereich ist zu konstatieren, dass die Bücherei des Heimatbundes damals 658 Bücher und Broschüren umfasste und ein bebilderter Glogau-Kalender für das Jahr 1986 erschien.

Einem Vorschlag von Hans-Jürgen Lau-Henze folgend, beschloss der Vorstand zur Erfüllung des kulturellen Auftrages des GHB ein Fortsetzungsbuch der 1912 veröffentlichten "Geschichte der Stadt Glogau" von Julius Blaschke zu erarbeiten, und er begann mit vorbereitenden Maßnahmen.

1986 schritt Schelenz auf den eingeschlagenen Wegen weiter. Das Büro erhielt die EDV-Anlage, um die sich Manfred Liersch kümmerte. Der Vorsitzende besuchte die Bezirksgruppe Alfeld (Leine) und auch die Bezirksgruppe Franken, zu deren Treffen im Mai etwa 500 Heimatfreunde erschienen waren. Im Zuge der Arbeiten für das neue Heimatbuch wurden zwei Tagungen in Hannover durchgeführt. Der Glogauer Bildpostkartenkalender 1987mit alten Ansichten von Glogau-Stadt und Glogau-Land aus der Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erschien, und das „Glogauer Wanderbuch“ von Gustav Krause erfuhr eine Neuauflage.

Besonders am Herzen lag Schelenz, sich der Toten des Krieges zu erinnern, und jährlich am Volkstrauertag ihrer zu gedenken, was der GHB damals im Haus Glogau tat, wobei Schelenz wiederholt die Gedenkrede hielt. Seine am 16. November 1986
gehaltene Ansprache, die von Nachdenklichkeit und Abwägen geprägt ist, einen guten Einblick in sein Denken und Empfinden bietet und unter dem Thema „Volkstrauertag oder Heldengedenktag?“ stand und noch heute das Lesen verdient, sei hier zitiert.
„Heute ist Volkstrauertag, und wir sind hier zusammengekommen, um unserer Gefallenen und der Kriegstoten zu gedenken. Ihrer sind so viele, dass sich unser ganzes Volk in Trauer ihrer erinnert, und es gibt sicherlich nur sehr wenige Familien, die nicht – und wie viele mehrfach –Anlass zu solcher Trauer hätten. Dieser Gedenktag hat nicht immer, dessen werden sich besonders die persönlich Trauernden erinnern, Volkstrauertag, sondern in bestimmter Zeit Heldengedenktag geheißen. Ob dieser Tag nun diesen oder jenen Namen trägt, er galt und gilt immer den Toten, die dem Krieg, die den Kriegen zum Opfer gefallen sind. Hinter der unterschiedlichen Benennung dieses Gedenktages verbirgt sich also kein anderer Inhalt, sondern eine andere Einstellung dazu. […]
Sieht man sich bei anderen Völkern um, die, anders als wir, als Sieger die Kriege bestanden haben, so zeigt sich, dass bei denen die Gefallenen selbstverständlich Helden genannt werden.
Wir, die Deutschen, haben beide Weltkriege verloren, und unseren Gefallenen wird die Ehrenbezeichnung "Held" vorenthalten. Somit scheint es so zu sein, dass nur die Gefallenen des siegreichen, nicht die des besiegten Volkes des Ehrenbegriffs „Held" würdig sind. […]“

Die Schlusssätze lauten:

„Sie starben, damit wir leben. Wir erinnern uns ihrer als derer, mit denen wir lebten und die wir sterben sahen, und wir neigen unsere Herzen in Trauer und Ehrfurcht vor ihnen mit dem schlichten Bekenntnis: ’Ich hatt' einen Kameraden . . .’ “
(NGA 35, 1987, Nr. 1, S. 6-7)

In den Jahren 1984 bis 1986, in der ersten Amtszeit von Schelenz, fanden 9 Sitzungen des Bundesvorstandes statt. Der Vorsitzende dankte seinen Kollegen für die freudige Mitarbeit und die gute Zusammenarbeit und erhielt entsprechendes Lob zurück. Kurz vor Ende der Amtsperiode verstarb der hochverdiente Bundeskassenwart Martin Liersch aus Braunschweig. Schelenz wurde 1986, 1988, 1990, 1992, 1994, 1996 und 1998, also siebenmal, als Bundesvorsitzender wiedergewählt.
Fortsetzung folgt . . .

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