Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 4, April 2007

100 Jahre Glogauer Oberrealschule

von K. Klupsch

 

Die Errichtung einer neuen Schule bedeutet für eine Stadt stets ein großes Werk, an das die Verantwortlichen der Bürgerschaft nicht leichten Herzens herantreten. Es kommt dabei nicht nur auf die Errichtung eines stattlichen Gebäudes an und die damit verbundenen beträchtlichen, einmaligen Aufwendungen. Das gravierende Moment liegt in den dauernden Ausgaben, die nun einmal mit jeder Schule verbunden sind. Es war daher begreiflich, dass auch die Errichtung der Oberrealschule ihr Für und Wider fand, das sich besonders lebhaft bemerkbar machte, da auch die Frage mitsprach, ob die damals in Glogau bestehende Knabenmittelschule zur Realschule umgewandelt werden sollte. Aber das ist noch nicht einmal die Besonderheit in der Vorgeschichte der Anstalt: Diese finden wir in der Tatsache, dass der Plan, eine Realschule zu errichten, nunmehr fast 177 Jahre alt ist.
Aus alten Anzeigerblättern erfahren wir, dass die Errichtung der Schule bereits in den Jahren 1831 bis 1833 „von eifrigen und einflussreichen Männern unserer Stadt angestrebt worden ist. Dieses Projekt konnte .jedoch über die ersten Vorbereitungen hinaus nicht gefördert werden, weil die Stadtverordneten nur eine jährliche Beihilfe von 640 Talern bewilligen wollten und überhaupt ein Bedürfnis zur Errichtung einer Realschule nicht anerkannten". Die Angelegenheit war - wie der Anzeiger später einmal erinnerte - vor 150 Jahren soweit gediehen, dass eine Subskription die damals ansehnliche Summe von 10 000 Talern ergab. Noch einmal tauchte im Jahre 1859 der Gedanke an die Errichtung der Realschule auf, um bald ebenso in der Versenkung zu verschwinden.
Dreiviertel Jahrhunderte mussten also vergehen, bis der Wunsch „eifriger und einflussreicher Männer" Wirklichkeit wurde. Und dann war es eine Hauptfrage, ob die Knabenmittelschule in eine Oberrealschule umgewandelt werden sollte. Die Stadtverordneten-Versammlung verhandelte in mehrfachen Sitzungen darüber auf Grund eines Ersuchens des Prüfungsausschusses, der Magistrat möge der Umwandlung der Knabenmittelschule in eine lateinlose Realschule nähertreten. Auch die Schuldeputation hatte sich für die Umwandlung erklärt. Maßgebend war für diese Umstellung die Tatsache, dass die Mittelschule eine ständig sinkende Besucherzahl aufwies. Es wurde darauf ein Initiativ-Antrag gestellt:
Die Stadtverordneten - Versammlung wolle beschließen, den Magistrat zu ersuchen:
1. Den Bau des neuen Gebäudes für die Knabenmittelschule zu beschleunigen und tunlichst noch in diesem Sommer (1906) in Angriff zu nehmen mit Rücksicht auf die Dringlichkeit des Neubaues und auf die jetzige geringe Bautätigkeit,
2. Dieses Gebäude in solchem Umfange herzustellen, dass es die lateinlose Realschule, in welche die Knabenschule ehestens umzuwandeln ist, aufnehmen kann.
Der Magistrat sicherte zu, dass er die Frage eingehend prüfen werde, allerdings fügte der damalige Erste Bürgermeister Dr. Soetbeer hinzu, ein Jahr werde wohl vergehen, bis man zu definitiven Beschlüssen komme. Als dann das Jahr um
war, kam es mit Ernst zur Durchführung. Der Magistrat legte der Stadtverordneten-Versammlung den Antrag vor, das Kollegium wolle sich grundsätzlich mit der Umwandlung der Knabenmittelschule in eine lateinlose Realschule einverstanden erklären. So ging es dann auch an die Errichtung des Schulgebäudes, für das folgender Magistratsantrag in der Stadtverordneten-Sitzung vom 4. Januar 1907 vorlag:
1. Zum generellen Projekt des Neubaues der Oberrealschule die Zustimmung zu erteilen und
2. die zum Bau erforderliche Kostensumme in Höhe von 320.000 Mark laut besonderem Kostenüberschlag zu bewilligen. Die Mittel sollen in einer besonderen Anleihe beschafft werden.
In jener Sitzung wurde die Vorlage des Magistrats angenommen und der Lauf des Jahres brachte die Vollendung: die Umwandlung der Knabenmittelschule in eine Realschule und dieser Schule ein neues schönes Heim am „Schloßring", wie damals der „König-Friedrich-Platz" hieß. Aus der Knabenmittelschule geboren, die 29 Jahre auf der Schulstraße (Berufsschulgebäude) bestanden hat, trat sie am 2. März 1907 ins Leben. Am 15. März traf die Genehmigung in Glogau ein, die besagte, dass die Umwandlung der Knabenmittelschule, die damals unter Rektor Nahrstedt stand, in eine lateinlose Realschule mit 4 Vorschul- und 3 unteren Realschulklassen gestattet wurde.
Die Eröffnung der neuen Lehranstalt erfolgte am Donnerstag, dem 11. April 1907, mit den Klassen Sexta, Quinta und Quarta und einer dreiklassigen Vorschule
mit 2 Parallelklassen. Der Besuch der neuen Realschule war gleich im ersten Jahre zufriedenstellend, wurden doch damals 142 Schüler aufgenommen. Es lag nun nahe, dass die Klassenräume auf der Schulstraße der wachsenden Lehranstalt, zu deren ersten Direktor Dr. Wolff berufen worden war, nicht mehr genügten. So wurde nach den Entwürfen des damaligen Stadtbaumeisters zu einem Gebäudeneubau geschritten, der Oberrealschule am König Friedrich-Platz. Die Meinungen über die architektonische Ausgestaltung des Gebäudes gingen damals, wie sehr oft in solchen Fällen, stark auseinander.
Am 30. September 1909 konnte die Einweihung des neuen Schulgebäudes erfolgen, die die ganze Stadt in Bewegung brachte. In festlichem Zuge marschierten unter Voranritt einer Musikkapelle die Schüler mit dem Lehrkörper von dem alten Schulgebäude auf der Schulstraße nach der Realschule. Vor dem Eingang übergab Stadtbaurat Wagner die Schlüssel dem damaligen 1. Bürgermeister Dr. Soetbeer. In der Aula fand eine Einweihungsfeier statt, die von dem Schülerchor unter Leitung von Oberschullehrer Krause gesanglich ausgestaltet war. Erster Bürgermeister Dr. Soetbeer, Realschuldirektor Dr. Koch, Breslau, als Vertreter des Provinzialschulkollegiums, sowie als Vertreter der Staatsregierung, Regierungspräsident Freiherr von Seherr-Thoß hielten bedeutende Ansprachen. Regierungspräsident Freiherr von Seherr-Thoß überbrachte zugleich die Ernennung des Ersten Bürgermeisters Dr. Soetbeer zum Oberbürgermeister der Stadt Glogau durch den Landesherrn in Anerkennung seiner Verdienste um die Stadt Glogau. Abschließend sprach Realschuldirektor Dr. Wolff. Danach fand ein Festmahl im Weißen Saal statt, bei dem die verschiedensten Vertreter der Stadt, der Bürgerschaft und der Behörden Trinksprüche ausbrachten.
Die erste Abschlussprüfung für die mittlere Reife erfolgte Ostern 1911. Im Jahre 1916 übernahm Studiendirektor Dr. Grüttner die Leitung der Anstalt. Unter seiner Führung konnte mit dem 27. Dezember 1917 die Lehranstalt in eine Oberrealschule ausgebaut werden, so dass seit 1921 auch das Abiturium an der Oberrealschule absolviert werden konnte. Nach dem Weggange von Dr. Grüttner nach Halle im Jahre 1922 leitete Oberstudiendirektor Kluge die Lehranstalt. In seine Amtszeit fällt die schwere Nachkriegszeit mit ihrer wirtschaftlichen Not, die naturgemäß an der Anstalt nicht spurlos vorübergegangen ist. Mancher erinnert sich gewiss noch jener heißumstrittenen Vorlagen im Stadtparlament, die den Antrag zum Gegenstande hatten, die städtische Oberrealschule aufzulösen und die oberen Klassen als realen Zug dem Hindenburggymnasium anzuschließen.
Mit dem Jahre 1930 endet dieser Bericht zur Vorgeschichte der Glogauer Oberrealschule. Es ist das Jahr, in dem der Berichterstatter seine Reifeprüfung ablegte.

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