Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 10, Oktober 2005

Ein Gramschützer 1521 auf dem Reichstag zu Worms

Alljährlich, am 31. Oktober, feiert die evangelische Kirche das Reformationsfest und gedenkt damit an den Anschlag der 95 Thesen von Martin Luther im Jahre 1517 an die Pforte der Schlosskirche zu Wittenberg, womit in Deutschland die Reformation eingeleitet wurde. Was hat diese Begebenheit mit einem Gramschützer zu tun? Schalten wir einige Jahrzehnte zurück. Da wird um 1460 dem damaligen Gramschützer Dorfschulzen – heute würden wir Bürgermeister sagen – ein Sohn geboren, der den Namen Hieronymus erhielt. Oskar Hoffmann schreibt in seinen Heimatblättern von Gramschütz, dass über die Jugend und Vorbildung des erwähnten Hieronymus nichts bekannt ist. Erst 1504 taucht sein Name auf. Er nennt sich jetzt Hieronymus Schultetus, eine Latinisierung von Schulz, wie das seinerzeit üblich war. Er ist Doktor der Theologie und Licentiat des Kanonischen Rechts und Pfarrer von Cottbus. Wegen seiner Tüchtigkeit und Beredsamkeit steht er bei Kurfürst Joachim I., seinem Vorgesetzten, in hohem Ansehen, der ihn 1507 zum Bischof von Brandenburg ernennt.

Zu jener Zeit zieht der Dominikanermönch Johann Tetzel durch die Lande und focht als Ablassprediger vom Volk in marktschreierischer Weise Geld für den verschuldeten Vatikan zum Neubau der Peterskirche in Rom nach dem Motto: “Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele vom Fegefeuer in den Himmel springt.“ Das erregt den Augustinermönch Martin Luther und hob Widerspruch bei ihm. Er formulierte daraufhin seine Bedenken in 95 Thesen, die er dem Mainzer Erzbischof und dem Bischof von Brandenburg, seinem Vorgesetzten – eben jenem Hieronymus Schultetus – mit der Bitte um Gegenäußerung zusandte. Obgleich der Bischof gegenüber Luther nicht unfreundlich war, stand er doch als Untergebener des Papstes auf der Seite Roms und konnte nicht umhin, den Bittsteller von seinem Vorhaben abzuraten. Auch andererseits wurde Luther ob seines Vorhabens gewarnt, ließ sich aber von seinem Vorhaben nicht abbringen. Am 31. Oktober 1517 kam es dann zu dem anfangs erwähnten Eklat. Da Luther auch in den folgenden Jahren nicht von seiner Lehre abweichen wollte und sich die Reformation immer mehr verbreitete, kam es, wie es vorauszusehen war: Luther wurde von Papst Leo X. exkommuniziert. Doch auch das konnte Luther nicht von seiner Lehre abbringen. So wurde er aufgefordert, alle seine Thesen auf dem Reichstag zu Worms im April 1521 zu widerrufen, was er aber nicht tat und seine Rechtfertigung mit den Worten abschloss: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir!“ An diesem Reichstag nahm auch der aus Gramschütz gebürtige Beschof von Brandenburg, Hieronimus Schultetus, teil, der 1521 von Kurfürst Joachim I. auch noch in das Bistum Havelberg eingeführt wurde. Am 29. Oktober 1522 starb Hieronymus Schultetus und wurde im Dom zu Wittstock begraben, wo die Havelberger Bischöfe ihr Schloss hatten.

In den Heimatblättern von Oskar Hoffmann ist darüber im Original zu lesen: Von all dem aber hätte außer den Forschern und Fachgelehrten kaum jemand Kenntnis erhalten können, wenn nicht – ja wenn nicht ein dankbarer Mann der Gemeinde den Gedanken gefasst und verwirklicht hätte, der Gramschützer Martinikirche eine Gedenktafel zu stiften. Wer war das? Das ist urkundlich belegt: Pfarrer Anton Titz (oder Tietz; 1795-1815 Pfarrer von Gramschütz) vermerkt (1799) auf dem Vorsatzblatt des „Verzeichnisses der Getauften und Begrabenen bey der Pfarrei zu Gramschütz von 1586 – 1592“, dass der 1589 im Kirchenbuch vorkommende Matthias Scholz, Erbscholz zu Gramschütz, 1606 ein Monument auf einer größeren, hölzernen Tafel seinem Vetter, dem Bischof zu Brandenburg und Havelberg, Hieronymi Scholz als seines Großvaters Bruder, in hiesiger Kirche hat aufrichten lassen. “Hieronymus war im Heimatkirchlein getauft worden und soll ihm als Bischof 1520 einen kunstvollen Altar geschenkt haben, von welchem 1872 noch das abgestellte Predellabild, die heilige Familie darstellend, erhalten war.“

Nun aber treten wir abschließend an dieses „Monument“, das sich als 117:170 große Tafel noch heute in der Turmhalle der Martinikirche befindet, und lesen seine Inschrift selbst:

„Zu Christmilden und ewigen Gedächtnis des hochwürdigen in Gott Vater und Herrn, Herrn Hieronimi Scholzen, gewesenen Bischofs Brandenburgk, welches ihm Markgraff Joachim der I. dieses Namens im Jahr nach Christi Geburt 1506 und Havelbergk, so Ihm itzt hochgedachter Markgraff Anno 1520 wegen seines großen Verstandes und Beredsamkeit zu Administriren anbefohlen, in welchen beiden er auch als zum Brandenburgischen vom Pabst Alexander, dieses Namens dem VI., zum Havelburgischen von Leone dem X. confirmirt und bestätigt worden, wie hievon D. David Chytreeus in seinem latheinischen Sächsischen Chronico fol. 170 und 247 berichtet, welcher als der fürnehmste unter den Churfürstl. Brandenburgischen Legaten den 22ten October anno 1520 mit Kayserl. Majestät Kaiser Carolo V. neben vielen Chur- und Fürstl. Perschonen auf dem Kayserl. Krönungstag zu Aach eingezogen, wie aus M. Andree Angeli Stratomontani annalibus Marchicis Brandenburgensibus zu sehen, welcher auch mit auf dem großen Reichstage, welcher der Röm. Kay. Carolus V. anno 1521 zu Wormbs gehalten, gegenwertig gewesen, wie in den obvermeldeten annalibus und von Chytreeo berichtet wird. Endlich aber im Jahre1522, nach dem er das Brandenburgksche Bißtum bis in das 16te, daneben das Havelbergsche bis ins 2te Jahr mit großem Lob und Ruhm administrirt und verwaltet im Herrn selig den 29ten Octobris, wie es Chytreeus rechnet fol.. 933. in seinem obvermeldeten Chronico, verstorben und zu Witstock begraben ist – Hat Matthes Scholz, Erbscholz allhier zu Gramschütz, weil dieser vortreffliche Herr und Bischoff sein Annherr und also von Gramschütz und zwar aus seinem Geblüte, uralten Geschlechte und Schölzerei gebürtig gewesen, Seinen Kindern, Geschlecht und Nachkommen zu sondern Ruhm, Ehren und Denkmal diese tabellam in diese Kirch auf Zulassung des edlen gestrengen Ehrenfesten auch wohlbenahmten Herrn Hansen von Loßes, Erbherrn und dieser Kirch itzige Zeit Patroni und nach Richtung selbiger Zeit Herrn Pfarrer als ein ewig monumentum ordnen und setzen lassen. Im Jahre 1606 den 2ten Septemb. In memoria aeterna erit iustus. 112 Psl.“

Dies alles ist den Heimatbuchblättern von Oskar Hoffmann entnommen, dem wir hierfür noch heute dafür zu danken haben. Wer hatte zuhause von dieser Tafel in der katholischen Kirche St. Martin gewusst? Und wer kann bestätigen, ob sie sich noch heute an Ort und Stelle befindet? Wer hatte Ahnung von einem in früheren Jahren aus Gramschütz stammenden Bischof? Von der noch lebenden Generation wohl niemand, außerdem, er hätte in jenen Heimatbuchblättern nachgeschaut, die aber erst nach der Flucht aus unserem Heimatdorf erschienen sind. Auch wenn es in der Schule um Heimatkunde ging, habe ich nie etwas davon erfahren. Lediglich ist mir in Erinnerung, es mag etwa 1938 gewesen sein, dass unser Dorf den Namen >Bischofsfeld< erhalten sollte. Genauere Gründe hierfür kamen mir aber seinerzeit nie zu Ohren.

Hans Weilandt, Kaufbeuren

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