Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 9, September 2005

Badeleben in Glogau

In meiner Kindheit gingen wir mit unserer Mutter an den alten Oder-Arm, nach Kamerun, zum Baden. Das Wasser war nicht sehr tief, und wir durften nur am Rand planschen. Unsere Mutter hatte im kleinen Koffer Kuchen mitgenommen und in einer 4 Liter-Kanne Gerstenkaffee. So konnten wir im Sommer am Nachmittag mehrere Stunden am Wasser spielen.

In meiner Jugend lernte ich dann bei Bademeister Berger in der Pionier-Badeanstalt das Schwimmen. Ich ging damals in die Ober-Realschule und erinnere mich, dass in der Klasse „Sexta“ von 32 Schülern keiner schwimmen konnte. Mein Vorbild war mein Vater, der an heißen Sommertagen in der Mittagszeit durch die Oder schwamm, auf dem gegenüberliegenden Ufer bis zum Wehr lief und sich dort wieder in das Wasser stürzte, um sich von der starken Strömung der Oder zurück treiben zu lassen. An der Stelle, wo sein Fahrrad stand und die Kleidung lag, schwamm er an das Ufer. –

Die Pionier-Badeanstalt bestand aus Pontons von den Pionieren. Sie waren miteinander verbunden und bildeten ein rechteckiges Schwimmbecken am Ufer der Oder. Man hatte auf beiden Längsseiten ein Geländer montiert und die Ponton-Öffnungen mit Bohlen verschlossen, so dass die Badegäste ungefährdet um das Schwimmbecken gehen konnten. Auf zwei gegenüber liegenden Seiten führte je eine Treppe vom Bohlen-Boden in das Wasser. Bademeister Berger und sein Helfer Wittig lehrten uns Kindern das Schwimmen. Wir hingen in einem Geschirr über ein Seil an der Holzstange, die der Bademeister als Gegengewicht hielt. Man nannte es damals: „Schwimmen an der Angel“. Der Bademeister führte die Angel über das Geländer, und wir Schüler schwammen im Takt 1-2-3 im Wasser. Nach einigen Wochen bestanden wir die Prüfung und konnten den Kopfsprung lernen. Im Sommer gingen wir 15 Minuten von der Wohnung zur Badeanstalt.

Im Jahr 1928 ließ mein Vater am Oder-Ufer bei Weidisch eine Laube für seine Familie bauen. Sie hatte eine offene Veranda und diente uns Kindern als Unterkunft und Wetterschutz.

Im Jahr 1936 baute man eine Badeanstalt an das Oder-Ufer bei Weidisch. Es gab dort sogar eine Rutschbahn und ein Sprungbrett. Für uns Kinder war das wunderbar.

Die Bademeister Berger und Wittig waren für die Badegäste verantwortlich. Sie waren beide Rettungsschwimmer.

Es gab in Glogau noch das Wiesen-Strandbad, das ich aber nicht kennen gelernt habe. Ich weiß deshalb nicht in welcher Gegend es gelegen hat.

Die Badeanstalt in Weidisch hatte man auf einen alten Oderkahn gebaut. Über einen Steg aus Brettern, die auf leeren Fässern befestigt waren, konnte man den Kahn erreichen. Am Sonntag kamen bei schönem Wetter viele Spaziergänger und schauten vom Ufer aus auf das Treiben der Schwimmer. Der Höhepunkt war immer, wenn wir meinen Bruder Kurt in die Sportkarre setzten und stehend mit dem Kinderwagen die Rutschbahn hinunterfuhren. Mein Bruder, der erst 5 Jahre alt war, flog ins Wasser und paddelte ans Ufer.

Gerhard Wirth, Hamburg

Badeanstalt "Kamerun"

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