Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 2, Februar 2005

Interview von "Schlesien heute"
mit Prof. Dr. A. Palissa

Fragen von ,,Schlesien heute" an Prof. Dr. A. Palissa, Bundesvorsitzender des Glogauer Heimatbundes:

Wie kam es zur Gründung des Glogauer Heimatbundes?

Die immer naher rückende Ostfront verursachte Anfang des Jahres 1945 die Evakuierung vieler Schlesier - ein Exodus mit der allgemeinen Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in die angestammte Heimat. Es kam anders. Zurückkehrende Trecks wurden abgewiesen, es begann unter der polnischen Verwaltung eine Zwangsumsiedlung und Vertreibung der Schlesier. In jener Zeit, da jeder mit sich selbst zu tun hatte und nur das Überleben zählte, schien eine Zersplitterung, ein Verlust der Identität als Schlesier vorprogrammiert.

Es ist das Verdienst einiger Schlesier, die das erkannt hatten und dem entgegensteuerten. Für die Vertriebenen aus Stadt und Land Glogau, die in den Aufnahmegebieten Mitteldeutschlands angekommen waren, hat der frühere Stadtverordnete (bis 1933) von Glogau, Richard Peschel, sich um den Zusammenhalt der Glogauer bemüht: Die Idee eines Zusammenschlusses ehemaliger Bewohner von Stadt und Kreis Glogau (Niederschlesien) war geboren. Bedingt durch seinen Wohnort, war die Stadt Hannover ins Zentrum aller Aktivitäten gerückt. Am 18.9.1949 kam es dann in Hannover zur Gründung einer ,,Heimatkreisgruppe Glogau" innerhalb der Landsmannschaft Schlesien mit dem ersten Vorsitzenden R. Peschel. Die Glogauer Gruppe entwickelte sich rasch weiter, und es gab in Westdeutschland bald Bezirksgruppen in allen damaligen Bundesländern. In der ehemaligen DDR verlief die Entwicklung ganz anders, offiziell gab es keine Heimatvertriebenen, sondern nur Umsiedler. Eine Möglichkeit zur Bildung von Heimatverbänden war dort nicht möglich. Im Rahmen der 700-Jahr-Feier der Stadt Glogau kamen am 26. und 27.9.1953 über 3000 Heimatfreunde zum 1. Glogauer Bundestreffen in der Stadthalle Hannover zusammen. Eine so hohe Besucherzahl haben wir bei keinem folgenden Bundesheimattreffen wieder erreichen können, obwohl wir nach der Wiedervereinigung 1989 einen Mitgliederzuwachs aus der ehemaligen DDR erhalten haben.

Anfang 1954 erfolgte dann die Umbenennung der "Heimatkreisgruppe Glogau" in den "Glogauer Heimatbund e. V."

Seit November 1952 erhalten unsere Mitglieder die "Glogauer Heimatzeitung", die seit dem 1.4.54 unter dem Namen ,,Neuer Glogauer Anzeiger" (NGA) erscheint. Vor zwei Jahren konnten wir das 50-jahrige Bestehen dieses unseres Mitteilungsblattes begehen, das sich in diesen Jahren durch den ehrenamtlichen Einsatz verdienstvoller Redakteure - genannt seien nur die Hfde Hellmut Rieger und Eberhard Schramm - zu einem interessanten und niveauvollen Bindeglied zwischen unseren Glogauer Heimatfreunden entwickelt hat.


Welche Ziele verfolgt der Glogauer Heimatbund e. V. ?

Die Mehrzahl unserer Mitglieder hat das Rentenalter längst überschritten. Schon von da her ist es Unsinn, uns revanchistische Ziele vorzuwerfen, wie es mancherorts geschieht. Unsere Ziele sind festgeschrieben in der Charta der Heimatvertriebenen vom 5. August 1950. Wir wollen das Erbe der Heimat wahren und alles fördern, was diesem Ziele dient. Dazu dient die Bewahrung und Pflege der Heimatgeschichte und unseres schlesischen Kulturgutes, das wir auch in der Bundesrepublik erhalten und an unsere Nachfahren weitergeben möchten. Wir wünschen uns aber, dass wir weder von unserer Presse noch von polnischer Seite diskriminiert werden, nur weil wir Heimatvertriebene sind, die Liebe zur verlorenen Heimat im Herzen tragen und uns dafür einsetzen, dass unser schlesisches kulturelles Erbe erhalten bleibt und die großen schlesischen Dichter, Maler, Künstler, Erfinder, Nobelpreisträger usw. nicht vergessen werden. Deshalb haben wir auch finanziell über unsere Mitglieder den Wiederaufbau historischer Gebäude in Glogau unterstützt. Aber wir möchten auch, dass die deutsche Vergangenheit Schlesiens z.B. auf Friedhöfen wieder erkennbar wird.


Durch welche Maßnahmen fördert der Glogauer Heimatbund den Zusammenhalt der vertriebenen Glogauer?

Der Glogauer Heimatbund ist ein eingetragener Verein. Er umfasst derzeit etwa 2500 Mitglieder in der gesamten Bundesrepublik. Wo es möglich war, haben wir Bezirksgruppen oder Ortsverbände errichtet, deren Zusammenhalt vor allem durch ehrenamtliche, aktive, heimatverbundene Helfer gewährleistet ist. Immer wieder sind es einzelne Heimatfreunde, die sich der alten Heimat verpflichtet fühlen und die die ehemaligen Glogauer aus Stadt und Land zu Heimatnachmittagen oder anderen Veranstaltungen zusammenrufen. Ihnen gilt der besondere Dank des Bundesvorstandes. Natürlich gibt es auch hier im Laufe der Jahre ein Auf und Ab. So ist z.B. unsere ehemalige Bezirksgruppe München, die nach ihrer Mitgliederzahl zu unseren größten Gruppen gehörte, heute leider zerfallen, weil sich niemand fand, der die Eignung hatte und Verantwortung für den Fortbestand dieser Gruppe übernehmen wollte. Überall dort, wo es keine regionalen Zusammenkünfte der Glogauer gibt, ist der Zusammenhang mit den Heimatfreunden durch unser Mitteilungsblatt, den NGA gegeben. Durch ihn sind auch die kranken oder durch körperliche Beschwerden beeinträchtigten Glogauer Heimatfreunde mit uns verbunden. Bei den Zusammenkünften, unseren Heimatnachmittagen, geht es vordergründig um die Pflege persönlicher Kontakte, um Gedankenaustausch, um gemeinsame Erinnerungen; alles Dinge, die für den Zusammenhalt der Gruppen förderlich sind. Deshalb sorgen wir bei den Heimattreffen, meist während einer Kaffeetafel, stets für genügend Zeit zum 'Labern'. Natürlich gibt es im Rahmen der Heimatnachmittage unserer Gruppen auch immer ein kleines Programm, z.B. durch Dias von Glogau, Berichte über Reisen nach Glogau und Schlesien bzw. in die Heimatdörfer. Und nicht zu vergessen das gemeinsame Singen, der Vortrag schlesischer Mundartgedichte/ -Lesungen und kurze Beiträge zur Erinnerung an große Schlesier, seien es Künstler, Dichter, Erfinder, Musiker oder andere. Wir Schlesier haben ja da eine Fülle von Persönlichkeiten vorzuweisen, die nicht nur für unsere Heimat Schlesien, sondern auch für ganz Deutschland und darüber hinaus Bedeutung erlangt haben. Natürlich hängt die Gestaltung der Heimattreffen in den einzelnen Gruppen auch sehr von der Zusammensetzung der Gruppen ab. Wichtig ist für uns immer, dass alle Heimatfreunde sich angesprochen fühlen, etwas mitnehmen und sich heimisch fühlen.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass den Leitern unserer Heimatgruppen viel Engagement, Ideenreichtum und Organisationstalent abgefordert wird, aber das Mitgehen und die Resonanz aus der Gruppe sind Entschädigung für diesen Einsatz.

Neben der Tätigkeit des Glogauer Heimatbundes auf regionaler Ebene führen wir alle 2 Jahre - meist in Hannover - ein Bundesheimattreffen durch. In diesem Jahr hat uns das 26. Bundesheimattreffen am 22. und 23. Mai im Schützenhaus zu Hannover-Wülfel zusammengeführt. Dabei wurde auch turnusmäßig der neue Vorstand gewählt. Wir halten diese Bundesheimattreffen für wichtig, weil sie die Glogauer Heimatfreunde aus der ganzen Bundesrepublik wieder zu gemeinsamen Gesprächen einlädt, den Zusammenhalt fördert und auch die Öffentlichkeit wieder auf uns aufmerksam macht.


Was wird getan, um das deutsche kulturhistorische Erbe Glogaus bekannt zu machen?

Es ist uns zunächst wichtig, bei unseren Glogauer Heimatfreunden die Erinnerung an Glogau mit seinen vielfältigen geschichtsträchtigen Gütern wach zu halten. Aus vielen Spenden und Nachlässen unserer Mitglieder haben wir Erinnerungsstücke an die Heimat zusammentragen können und in unserer Heimatstube in Hannover ausgestellt. In unserem Büro verfügen wir auch über Akten der Dörfer und Städte des Kreises sowie über Chroniken z. B. von Polkwitz, Priedemost, Nilbau u.a., letztere verfasst von aktiven Mitgliedern in unseren Heimatgruppen. Wir unterhalten in unserem Büro in Hannover auch eine Bibliothek, vorwiegend mit Werken über Glogau. Erwähnen möchte ich hierzu nur die ,,Geschichte der Stadt Glogau und des Glogauer Landes" von dem Glogauer Historiker Julius Blaschke.

Auch in unserem NGA wird das kulturelle Erbe Schlesiens und besonders Glogaus immer wieder angesprochen, nicht nur in historischer Sicht. Alle unsere Heimatfreunde sind natürlich interessiert, was nach den massiven Zerstörungen in Glogau wieder entstanden ist. Der Glogauer Heimatbund ist stolz darauf, auch materielle Hilfe beim Wiederaufbau bzw. der Restauration z.B. Rathausturmes, des Rathauses, der Domfenster organisiert zu haben. Leider müssen wir aber auch registrieren, dass das Interesse am schlesischen Kulturgut heute zumeist auf die ehemaligen Glogauer bzw. Schlesier beschränkt ist. Der Glogauer Heimatbund hat zwar versucht, durch Ausstellungen über Glogau z.B. in Würzburg, in Königswinter-Heisterbacherrott eine breite Öffentlichkeit zu erreichen, aber nur mit punktuellem Erfolg.

Wir müssen heute leider feststellen, dass der Glogauer Heimatbund - und das gilt wohl auch für die anderen schlesischen Heimatverbände - in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird. Daran mögen die Zeitumstände, besonders die politische Situation in Deutschland in den Nachkriegsjahren Schuld sein. Wenn es aber nicht gelingt, z.B. in den Schulen durch Aufnahme von Unterrichtsstunden über Schlesien, seine Geschichte, seine Städte, das Wissen über unsere Heimat Schlesien lebendig zu erhalten, besteht die Gefahr, dass das Bewusstsein über den Anteil Schlesiens an der deutschen Kultur vergessen und nur noch in Bibliotheken nachzulesen sein wird.

Ich finde es ganz bezeichnend, dass das plötzliche Interesse der meisten Presseorgane und offenbar auch vieler Politiker nicht das kulturhistorische Erbe Schlesiens im Fokus hat, sondern nur finanzielle Aspekte diskutiert werden.

Wurde und wird der Einsatz des Glogauer Heimatbundes mit öffentlichen Mitteln gefördert?

Hannover ist unsere Patenstadt. Bis 1992 bekamen wir jährlich eine Zuwendung von 25.000,-- DM.

Weitere finanzielle Hilfen der öffentlichen Hand gibt es nicht. Z.Zt. sind wir auf die Mitgliederbeiträge angewiesen, die den Bezug unseres Mitteilungsblattes einschließen.

Obwohl außer unserer Sekretärin alle Mitarbeiter des Vorstandes und der Bezirksgruppen ehrenamtlich tätig sind, ist unsere finanzielle Situation sehr angespannt.

Seit wann gibt es wieder Kontakte des Glogauer Heimatbundes in die schlesische Heimat?

Im Gegensatz zu der Situation in Oberschlesien wurden in Niederschlesien praktisch alle Deutschen aus ihrem angestammten Wohnsitz vertrieben. Dadurch gab es nach Kriegsende auch keine Kontakte nach Glogau. Erst nachdem es wieder Reisemöglichkeiten für uns nach Schlesien gab, wurden diese in zunehmendem Maße genutzt. Daraus haben sich inzwischen viele private Beziehungen zwischen den heutigen Bewohnern und unseren Heimatfreunden entwickelt. Auch die Bezirksgruppen organisieren regelmäßig Busfahrten nach Glogau und in bekannte schlesische Orte und Gedenk- oder Erholungsstätten.

Offizielle Kontakte des Glogauer Heimatbundes begannen bereits 1990 mit unseren Hilfeleistungen beim Wiederaufbau bestimmter Projekte in Glogau (Glogów) oder z.B. im Zusammenhang mit der Umwidmung des ehemaligen Ebert-Denkmals in ein Denkmal für alle Vertriebenen. Weitere Kontakte mit offiziellen polnischen Stellen ergaben sich bei der Einweihung des in alter Schönheit wieder erstandenen Rathauses (2003), zu der auch der Bundesvorstand nach Glogau eingeladen war. Wir haben auch dem Wunsche aus Glogau entsprochen und verschiedene Exponate aus unserer Heimatstube für eine Ausstellung im Glogauer Schloss anläßlich der Feiern zum 750-ten Jahrestag des Stadtrechtes von Glogau ausgeliehen. So entwickelt sich langsam ein gutes partnerschaftliches Verhältnis zwischen dem Glogauer Heimatbund und den verantwortlichen Behörden in Glogów. Es gibt aber auch noch Probleme. So ist es uns leider trotz jahrelanger Bemühungen bisher nicht gelungen, bezüglich der am Ende des Krieges im Glogauer Schlossgarten verscharrten etwa 200 Toten eine würdige Lösung zu finden.


Welche Vorhaben in Glogau konnten in den vergangenen Jahren mit Hilfe des Glogauer Heimatbundes verwirklicht werden?

Der Glogauer Heimatbund hat nur sehr beschränkte finanzielle Möglichkeiten. Dank der Spendenbereitschaft unserer Mitglieder konnten wir uns aber an manchem Wiederaufbau-Vorhaben in Glogau beteiligen. Erwähnt seien hier nochmal der Turm des Rathauses; die Rekonstruktion des Rathauses und die bunten Bleiglasfenster im Dom. Die Umwidmung des ehemaligen Ebert-Denkmals in ein Denkmal für alle Vertriebenen wurde von uns initiiert, vorangetrieben und aus Spenden unserer Mitglieder finanziert.


Wie sind die derzeitigen Kontakte zur polnischen Bevölkerung und gibt es bestimmte aktuelle Vorhaben?

Es gibt heute zahlreiche individuelle Kontakte zwischen unseren Mitgliedern und den heutigen Bewohnern im Landkreis und der Stadt Glogau. Darüber hinaus werden, wie schon erwähnt, regelmäßig Omnibusfahrten von den Bezirksgruppen nach Glogau und Umgebung organisiert.

Der Bundesvorstand des Glogauer Heimatbundes steht seit Jahren in Verbindung mit der polnischen Stadtverwaltung von Glogów. Wir waren in den letzten Jahren mehrfach bei besonderen Anlässen der Einladung aus Glogau gefolgt und konnten in Gesprächen gegenseitige Vorbehalte ausräumen. Ausdruck der zunehmenden Verständigungsbereitschaft ist z.B., dass wir zahlreiche Exponate aus unserer Heimatstube für einige Monate nach Glogów ausgeliehen haben, wo sie in eindrucksvoller Weise aufgestellt wurden und ein Anziehungspunkt für viele Besucher waren, die an der deutschen Geschichte des heutigen Glogów interessiert sind.

Gibt es auch Kontakte zu Deutschen in Glogau?

Soweit mir bekannt ist, wurden aus Glogau Stadt und Land alle Deutschen evakuiert oder nach Kriegsende vertrieben. Es mag dabei Ausnahmen gegeben haben, uns sind jedenfalls keine dort verbliebenen Glogauer bekannt, mit denen wir hätten kommunizieren können. in dieser Beziehung ist die Situation in anderen schlesischen Gebieten und besonders in Oberschlesien anders.


Arbeitet der Glogauer Heimatbund auch mit anderen schlesischen Heimatkreisvereinigungen zusammen?

Durch den regelmäßigen Austausch von Zeitschriften bzw. anderer Publikationen sind wir über das Geschehen in anderen schlesischen Heimatverbänden informiert. Auf breiter Ebene gibt es - wenigstens bisher - keine Zusammenarbeit. Ich selbst finde das sehr unbefriedigend, zumal die Mitgliederzahl aller schlesischen Heimatgruppen wegen ihrer Altersstruktur schnell schrumpft und ein stärkeres Zusammengehen zunehmend zu einer Überlebensfrage für die einzelnen Gruppen wird. Als Bundesvorsitzender des Glogauer Heimatbundes sehe ich deshalb ein engeres Zusammenwirken aller schlesischen Heimatgruppen bis hin zu einem mindesten partiellen Zusammenschluss für eine meiner wichtigsten Aufgaben an. Erfreulicherweise gibt es auch Ansätze in diese Richtung. So beteiligt sich unsere Düsseldorfer Bezirksgruppe regelmäßig an den Veranstaltungen der dortigen Landsmannschaft Schlesien.


Wie ist das Interesse der nachwachsenden Generation an der Arbeit des Glogauer Heimatbundes?

Die meisten Heimatvertriebenen wollen die Schrecken des Krieges und die bitteren Erfahrungen der Vertreibung nicht thematisieren und keine verdrängten Erinnerungen wachrufen. Sie wollen vergessen und haben sich auch gegenüber ihren Kindern kaum geöffnet. Hierzu kamen die politischen Verhältnisse der Nachkriegszeit mit der Hinwendung der Heimatvertriebenen westlich der Mauer ins demokratische Europa mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, während im Ostteil Deutschlands die DDR dafür gesorgt hat, dass das Thema Vertreibung tabu war. Als Erlebnisgeneration haben wir selbst auch zu wenig getan, um bei unseren Kindern eine Erinnerung an die verlorene Heimat wach zu halten Es scheint jetzt aber, dass unsere Enkel sich zunehmend für das Land der Herkunft ihrer Familien und für alles Geschehen im Zusammenhang mit der Vertreibung interessieren. ich hoffe, dass wir hier neue Ansätze für die Arbeit und die Ziele des Glogauer Heimatbundes finden werden. Das kann aber nur gelingen, wenn auch die politischen Kräfte in Deutschland ihren Beitrag leisten und z.B dafür sorgen, dass die Geschichte der ehemaligen deutschen Ostgebiete in den Lehrplänen der Schulen behandelt wird und ihr Anteil an der kulturellen Entwicklung Deutschlands.

Es stimmt hoffnungsvoll zu hören, dass auch viele junge Polen/innen unvoreingenommen die historische Wahrheit über das jetzt von ihnen bewohnte Land erfahren möchten. Vielleicht ergibt sich daraus ein Weg für eine gute nachbarschaftliche Zusammenarbeit und ein Anreiz für unsere nachwachsende Generation zu einem friedlichen Nebeneinander.


Wie beurteilen Sie die heutige Situation Glogaus und der vertriebenen Glogauer fast sechs Jahrzehnte nach der Vertreibung?

Ein Glogau, wie es vielleicht noch in unserer Erinnerung lebt, gibt es nicht mehr. Durch den Krieg wurde zumindest die Innenstadt fast völlig zerstört. Nach jahrelangem Stillstand wurde dann Glogau zügig aufgebaut und heute ist es eine aufstrebende Stadt. Wer heute als Vertriebener nach langen Jahren zum ersten Mal wieder nach Glogau kommt, wird sich zunächst nicht zurechtfinden. Es gibt aber einige original erhaltene oder wunderschön restaurierte Gebäude, die eine Orientierung etwas erleichtern: Der Bahnhof ist erhalten, aber offenbar seit 60 Jahren nicht restauriert; Rathaus und Jesuitenkirche zeigen sich in neuem Glanz; der Dom erhält z.Zt. neue wunderschöne Glasfenster. Zur Oder hin gibt noch ausgedehnte Ruinenflächen. Allmählich erkennt der besuchende Heimatfreund Konturen des alten Glogaus wieder. Die alte ,,Preußische Straße" ist völlig neu gestaltet, sie ist zur Flaniermeile mit vielen relativ kleinen bunten Geschäftshäusern geworden.

Glogau ist heute im Aufbruch, es pulsiert und ist dabei, die Bedeutung wieder zu gewinnen, die es in unserer Erinnerung als ,,kleine Schwester Breslaus" hat.


Welche Vision haben Sie für Glogau?

Ach, Herr Theisen, ich werde im nächsten Jahr 80, ich habe den NS-Staat erlebt und den Krieg trotz einiger Blessuren überstanden, ich habe die Heimat verloren und das DDR-Regime aushalten müssen bis ich schließlich in der Demokratie der Bundesrepublik angekommen bin. Ich bin ziemlich desillusioniert und realistisch genug, um keine unerreichbaren Vorstellungen zu konservieren. Für mich ist die Zeit der Visionen vorbei. Natürlich bin aber auch ich nicht ohne Wünsche und Hoffnungen. Der Beitritt Polens zur Europäischen Union sollte vieles in den Beziehungen zwischen unseren Heimatvertriebenen und den jetzigen Bewohnern Glogaus erleichtern. Ich wünsche

mir zum einen ein dauerhaftes, verständnisvolles Miteinander und dass wir bei der weiteren Städteplanung Glogaus beratend mitwirken können. Ich hoffe auch, dass in Glogau nicht nur Aldi, Lidl, VW und Mercedes vertreten sind, sondern dass auch ehemalige Kaufleute aus Glogau, die sich inzwischen in der Bundesrepublik etabliert haben, den Mut finden und die Möglichkeit bekommen, eine Filiale in ihrer ehemaligen Heimatstadt zu eröffnen. Ich wünsche mir auch, dass in Zukunft ein wenig mehr in der öffentlichen Wahrnehmung die deutsche Vergangenheit Glogaus deutlich wird.

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