Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 3, März 2004

Wohlstand in Heerwegen

Eine aufblühende Stadt im nördlichen Schlesien

Die südlich von Glogau gelegene Kleinstadt Heerwegen/Polkwitz/Polkowice entwickelt sich zu einem wirtschaftlichen Schwerpunkt. Mit Mitteln der Europäischen Union und ausländischer Investoren bekam sie ein neues Gesicht.

Zur Geschichte des Ortes

Mit dem zweiten großen Siedlerstrom in das Rodungsgebiet an der Oder im 12. Jahrhundert setzte auch die politische Entwicklung ein. Eine Reihe deutscher Klöster wurde gegründet, ebenso deutsche Kolonialstädte. Im 13. Jahrhundert entstanden Gnesen (1235), Posen (1253) und Fraustadt (1275). Polkwitz, später Heerwegen genannt, polnisch Polkowice, wurde 1291 nach deutschem Recht an der Handelsstraße von Glogau nach Breslau gegründet und hatte damals schon als Marktort für die umliegenden Dörfer große Bedeutung. Die kleine Stadt wurde planmäßig mit einem quadratischen Hauptmarkt erbaut und durch Mauern, Gräben und Wälle gesichert.

Polkwitz stand unter der Herrschaft des Erbvogtes Theodoricus von Quaritz (1407). Danach gehörte die Stadt zum Fürstentum Glogau, das 1163 erstmalig gebildet wurde und unter Herzog Heinrich I. seine größte Ausdehnung erreichte. Es reichte von Meseritz im Nordwesten nach Priebus im Südwesten und über Lüben, Wohlau, Oels bis Landsberg im Osten und deckte die ganze Nordflanke Schlesiens gegen Polen. 1312 fiel durch Teilung die Osthälfte ab, die der polnische König Kasimir d. Gr. seinem Reich eingliederte. Polkwitz wurde dem Herzog Johann v. Steinau zugesprochen. Nachdem Glogau 1490 an die böhmische Krone gefallen war, wurden Stadt und Kammergut Polkwitz mehrmals verpfändet, und zwar an die Familien von Biberstein (1544-1564), v. Schönaich (1554-1591) und v. Kottwitz auf Kontopp. Am 17.6.1598 verkaufte Kaiser Rudolf II. diesen landesherrlichen Besitz an die Gemeinde Polkwitz.

Die Stadt lebte von der Tuchmacherei, Leinenweberei, Kürschnerei und der Handelsversorgung durch Naturalien aus dem Umland. Auch hier hatte der 30jährige Krieg schwere Verwüstungen hinterlassen und einen wirtschaftlichen Niedergang verursacht, den auch nicht der Neubau der Landesstraße Berlin-Breslau über Polkwitz auffangen konnte. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Einwohnerzahl ständig zurück, und Polkwitz verlor sogar das Stadtrecht.

Eine pulsierende Kreisstadt

Dynamische Investoren und Vollbeschäftigung

Auf dem Weg in die EU

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Polkwitz heute: Die evangelische Kirche und das Rathaus
Eine pulsierende Kreisstadt

Durch den Abbau von Kupfererzlagern im Liegnitz-Glogauer Raum und die dadurch steigende Einwohnerzahl erhielt Polkwitz 1967 das Stadtrecht zurück. Die Kriegsschäden wurden beseitigt und am Rande der Altstadt entstand eine neue Wohnsiedlung. Das Rathaus und die katholische Kirche, beide im 30jährigen Krieg zerstört, wurden bereits 1687-96 wieder aufgebaut. Als ab 1741 evangelischer Gottesdienst öffentlich erlaubt wurde, bekam Polkwitz ein Bethaus, das neben dem Rathaus zunächst in Fachwerkbauweise errichtet und später massiv mit einem Turm erneuert wurde. Heute ist die Kirche katholisch. Nach dem II. Weltkrieg ließen die Polen das deutsche Kulturerbe verfallen und in Vergessenheit geraten. Dass es heute ganz anders aussieht, verdankt Heerwegen dem tatkräftigen Bürgermeister (1994) Emilian Stanczyszyn. Er stammt aus dieser 22000 Einwohner zählenden Stadt, die er zu einer sich schnell entwickelnden Wirtschaftszone machte. Durch seine Initiative wurde 1998 die Stadt saniert, was neue Arbeitsplätze brachte und viele Touristen anlockte. Die alten maroden Häuser wurden abgerissen, und an ihrer Stelle entstanden auf den alten Grundmauern neue Wohn- und Geschäftshäuser nach den alten Vorbildern. Alte Aufnahmen sind im Stadtarchiv zu sehen. So können sich die Heimat besuchende deutsche Schlesier in ihrer Vaterstadt wiederfinden. Die Erinnerung an ihre Heimat wachhalten. Den Polkwitzer Markt nennt man inzwischen den jüngsten in Schlesien, wo der Baustil des 18. und 19. Jahrhunderts zu bewundern ist.

Durch die Stadtsanierung, die noch nicht abgeschlossen ist, hat Polkwitz/Polkowice ein neues modernes Gesicht bekommen. Die Fußgängerzone rund um das Rathaus ist sehr geschmackvoll mit verschiedenfarbigem Granit gepflastert und mit einem Springbrunnen geschmückt, zur Freude der Kinder! Rings um den Marktplatz reihen sich Restaurants, Cafe's und Geschäfte mit westlichem Standard, sogar italienisches Eis und viele andere Leckereien werden angeboten. Trotz der städtischen Erneuerung - oder gerade deshalb - gibt es viele romantische Ecken in den Gassen und auf den Plätzen mit Laternenbeleuchtung. Emilian Stanczyszyn studierte an der Technischen Hochschule Breslau Elektrotechnik. Als er dann in seinen Heimatort zurückkehrte, arbeitete er als Leiter des staatlichen Energiewerkes und studierte gleichzeitig bis 1992 an der Technischen Hochschule Breslau Betriebswirtschaft und Verwaltung. Durch seinen Fleiß und sein organisatorisches Talent wurde er 1990 Ratsmitglied und Vorsitzender des Polkwitzer Gemeinderates. Außerdem ernannte man ihn zum Vorsitzenden des Vorstandes eines Wirtschaftsunternehmens der Stadt. Ihm ist auch der Bau des ersten Erholungszentrums in Schlesien "Aquapark" zu verdanken, das viele Besucher anzieht. Das modern gestaltete Gebäude aus Glas und Edelstahl ist ein wichtiger Anziehungspunkt der Stadt. In einem großzügigen Vorraum befinden sich zwei Geschäfte, wo man Badebekleidung und Ausstattungen für den Wassersport kaufen kann. In der Mitte ist ein Informationsstand untergebracht, wo hübsche und nette Damen alle Fragen beantworten. Zum Eintritt in das Badeparadies bekommt der Gast eine Armbanduhr, mit der man das Schloss der Garderobe bedienen kann und die auch den Zugang zur Sauna sowie zum Solarium ermöglicht. In der kalten Jahreszeit kann man ebenso baden gehen, denn das Schwimmbad wird beheizt und ist überdacht.

Der "Aquapark" hat sogar einen Aussichtsturm, von dem man einen herrlichen Blick auf die Stadt und das Gewerbegebiet an der Umgehungsstraße hat. Neben dem Schwimmbad wurde ein komfortables Hotel mit 36 Zimmern erbaut. Die Baukosten des "Aquapark" betrugen 56 Millionen Zloty.

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Schmucker Marktplatz in Polkwitz
Dynamische Investoren und Vollbeschäftigung

Nach dem II. Weltkrieg hatten die Schlesier die von Ihnen gegründeten Handwerksbetriebe und Industrieanlagen den Polen überlassen müssen. Es waren oft vorbildliche und gut funktionierende Unternehmen. Nach 1945 wurden die meisten davon dem Verfall preisgegeben oder von den Polen schlecht betrieben. Doch in Polkowice wussten die "neuen Schlesier" die deutschen Errungenschaften zu schätzen und zu vermarkten. So übernahm man z.B. die ehemals deutsche Kupfererzlagerstätte und machte sie zur Haupteinnahmequelle der Stadtkasse von Polkowice. Mit den Gebühren und Steuern, die vom Kupferkombinat KGHM Polska Miedz S.A. eingebracht wurden, schuf man weitere Arbeitsplätze. Von der guten Wirtschaft in Polkowice zeugen mehrere Auszeichnungen für die beste Gemeinde, professionelle Verwaltung und höchste ausländische Investitionen. Am 1. Juli 2003 hat, Wieslaw Wabik, Stellvertreter des Bürgermeisters, in Warschau vom Chefredakteur der Zeitschrift "Rzeczpospolita" (die Republik), Maciej Lukasiewicz, ein Diplom mit der Auszeichnung "Super-Städtchen" erhalten.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2000 hatte der amtierende Bürgermeister E. Stanczyszyn um ausländische Investoren geworben. Nachdem der Polkwitzer Gemeinderat dieses Projekt annahm und die ersten Firmen, wie Sitech GmbH und Volkswagen Motor Polska GmbH in die Region kamen, wurde im südlichen Teil der Gemeindegemarkung ein Gewerbegebiet von 46 ha ausgewiesen. Prof. Dr. Burkhard Welkener, Vorstandsvorsitzender bei VW Motor Polska, begründete den Entschluss für den Bau des Volkswagen-Betriebes in Polkowice damit, dass die schnelle Entwicklung der Stadt und gute Beziehungen zum Bürgermeister E. Stanczyszyn und zu den Mitarbeitern der Selbstverwaltung sowie die Sonderwirtschaftszone seine Investitionen beschleunigt hatten. Entscheidende Kriterien, die für diesen Standort sprachen, waren die positive Analyse des einheimischen Marktes, qualifiziertes Personal, gute Kontakte zu der Universität Breslau und anderen Hochschulen. Polkowice besitzt selbst eine Niederschlesische Hochschule für Wirtschaft und Technik. Die Immobilienpreise sind niedrig und die Gewerbeflächen liegen verkehrsgünstig. Außerdem besitzt die Gemeinde auch einen eigenen Entwicklungsplan und legt Wert auf einen höheren Lebensstandard ihrer Einwohner.

Die Firma VW Motor Polska hat in Polkowice 1000 Arbeitsplätze geschaffen. Hier werden Diesel-Motoren mit der Kapazität von 1,9 L hergestellt. Es werden zzt. pro Jahr 540.000 Mooren produziert, später sollen es eine Million jährlich sein. Ein werterer ebenso wichtiger Investor in Polkowice ist das Unternehmen "Sitech" - man stell hier Autositze für VW her; dann der kanadisch-amerikanische Bauunternehmer "Royal Europa" und der polnische Schuhfabrikant "CCC".

Zu den weiteren Vorhaben des Stadtrates von Polkowice gehört der Bau eines modernen Kindergartens, in den die deutschen Kinder gehen können, denn viele der deutschen Investoren haben sich mit Ihren Familien in Polkwitz niedergelassen und auch Wohneigentum erworben.

Die Gemeinde Heerwegen will auch bald weitere 100 ha von AWRSP, wo ein Technologiepark entsteht, für neue Investitionen zur Verfügung stellen. Sie bietet damit eine technisch vorbereitete Infrastruktur in Nähe der deutschen Grenze und Anbindungen die an die Autobahn A4. Sogar ein Flugplatz in der Nähe von Heerwegen ist vorhanden.

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Blick auf das VW-Werk in Polkwitz
Auf dem Weg in die EU

Heerwegen/Polkowice ist ein Musterbeispiel einer wohlhabenden und wettbewerbsfähigen Stadt im schlesischen Polen, das nun bald der EU angehören wird. So ist es dem seit 2001 in Brüssel arbeitenden Büro für Promotion und Information über Niederschlesien zu verdanken, dass ein kultureller Verein "Niederschlesien" ins Leben gerufen wurde, dessen Vorsitzender der ehemalige Bürgermeister von Polkowice und Marschall der Woiwodschaft von Niederschlesien, Emilian Stanczyszyn ist. Zu den Zielen dieses Vereins gehört die Unterstützung der Import- und Exportgeschäfte im Rahmen der EU-Bestimmungen, die Förderung der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung sowie die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung Niederschlesiens, Zugang zu verschiedenen Projekten und Initiativen mit finanziellen Mitteln der EU. Der Verein koordiniert und initiiert die gemeinsamen Unternehmungen, die günstig für die Wirtschaft in Niederschlesien sind. Die Polkwitzer Gemeinde pflegt beispielhaft gute Beziehungen und Kontakte mit den alten Schlesiern in Deutschland, z.B. mit dem Sickter Oberbürgermeister, Dieter Lorenz. Dies wurde in Polkwitz am 18. Oktober 1996 und am 27. Juni 1997 in Sickte, Kreis Wolfenbüttel in Niedersachsen, offiziell mit einem Partnerschaftsvertrag bestätigt. Seitdem werden gemeinsame Ausstellungen, Feste und Jugendtreffen organisiert, die regelmäßig in Deutschland und in Schlesien stattfinden und viel zur deutsch-polnischen Verständigung beitragen.

Gregor Laskowski, aus "Schlesien heute", Senfkorn Verlag

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