Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 2, Februar 2004

Frau Gabriele von Altrock

Grußwort für Siegfried Freiherrn von Richthofen am 8.12.2003 in Darmstadt im Deutschen Polen-Institut

Sehr geehrte Anwesende,

ein erfreulicher Anlass führt uns hier zusammen: Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Freiherrn von Richthofen und unser aller herzliche Glückwünsche dazu.

Lieber Siegfried,

der Glogauer Heimatbund, Hannover, dessen Beirat ich angehöre, und Frau Jacob und Frau Hachmuth als Vertreterinnen des Heimatbundes, der Gruppe Frankfurt, haben mich beauftragt zu dieser hohen Auszeichnung unsere herzlichen Glückwünsche zu überbringen. Dieser Bitte, der ich mich anschließe, komme ich gerne nach.

Und warum gratuliert der Glogauer Heimatbund?

Weil die Friedenskirche in Jauer zur kirchengeschichtlichen Einheit der drei Friedenskirchen in Jauer, Schweidnitz und Glogau gehört. Die Evangelischen durften nach dem Frieden von Münster und Osnabrück 1648 und durch die besondere Genehmigung des katholischen Kaisers Ferdinand III. (1608-1657) unter bestimmten auflagen drei evangelische Kirchen in Schlesien errichten (unter den Kaisern Ferdinand I. 1503-1564; Ferdinand II. 1578-1637 galten diese Bedingungen weiterhin).

Wenn auch die Friedenskirche in Glogau dem Krieg zum Opfer gefallen ist, so darf doch ihre Bedeutung als Symbol des Glaubens nicht vergessen werden. Denn die ersten evangelischen Christen hatten es schwer, sich im katholischen Umfeld zu behaupten. Und da unser kleines Heimatdorf, aus dem ich stamme, zur Gemeinde der Glogauer Friedenskirche gehörte, seien einige Stichworte zu ihrer religiösen Geltung und langen Entwicklung erlaubt: 1564 erhielt die evangelische Gemeinde Glogau ihren erste Pfarrer, ohne über ein eigenes Gotteshaus zu verfügen.

1581 übernahm sie gegen starken Widerstand die ungenutzte katholische Pfarrkirche St. Nikolaus zur Benutzung, die sie jedoch 1628 wieder an die Katholiken zurückgeben musste. 1632 gelang es den Evangelischen abermals, St. Nikolaus zu erhalten. Jedoch einige Jahre später bezog sie endlich ein kleines eigenes Bethaus am Ring, 1652 wurde Kirchweih gehalten. Diese Kirche erhielt den Namen zur "Hütte Gottes". Sie stürzte 1654 ein, aber 1655 konnte eine neue "Hütte Gottes" erbaut werden. Sie bestand bis 1758, als sie beim Brand der Stadt Glogau unterging.

Inzwischen war Schlesien preußisch geworden und der evangelischen Gemeinde wurde ein Bauplatz innerhalb der Stadtmauern zugewiesen, sowie eine königliche Beihilfe von Friedrich d.Gr. zum Bau der Kirche. Sie erhielt den Namen "Schifflein Christi", in Anlehnung an Markus, 36-41. "... Vers 39 ... Schweig und verstumme! (sagte Jesus) und der Wind legte sich, und es ward eine große Stille ... Wie seid ihr so furchtsam? Wie, dass ihr keinen Glauben habt?...", (frage Jesus).

Nun entstand in den Jahren 1764-1772 der prachtvolle au der Kirche nach Plänen von Karl Gotthard Langhans (1732-1808, auch Erbauer vom Brandenburger Tor) das "Schifflein Christi", so, wie wir es damals aus Glogau-Stadt und Glogau-Land noch lebendig vor Augen haben. Das Wahrzeichen der Kirche erblickte jeder über einer Seitentür in Stein nachgebildet: Jesus stillt den Sturm. In das Segel des Schiffes waren die Worte eingelassen: "Surgit Surgentibus Undis", was etwa soviel heißt wie: Das Schifflein wird auf den tobenden Wogen emporgehoben. Die konfessionellen, oft starken Spannungen, mögen die Menschen wie tobende Wogen empfunden haben. Aber Jesus gebietet dem Unwetter! Dieses tröstliche Bild hat das rege Leben der Friedenskirchen-Gemeinde durch Generationen geprägt, und es begleitet auch mich weiterhin. Aber es bedeutet viel mehr. Es versinnbildlicht die Glaubensgewissheit der Christen, im Wellenmeer des Lebens nicht verloren zu sein. Das haben auch wir Zeitzeugen erfahren dürfen.

Die Glogauer Friedenskirche ist nicht mehr. Die Ruinen wurden abgerissen. An ihrer Stelle ist vor kurzer Zeit eine Gedenkstätte "Schifflein Christi" entstanden. Der Kirchengrundriss wurde ausgemauert und markiert. Später soll eine Gedenktafel an das evangelische Gotteshaus erinnern, für dessen Bau sich damals viele Gläubige standhaft und opferbereit eingesetzt haben - darin uns zum Vorbild geworden.

Die Glogauer Friedenskirche ist nicht mehr ... Aber wie dankbar dürfen wir sein, dass die Friedenskirchen in Schweidnitz und Jauer wieder entstanden sind. Was wäre aus Jauer ohne den Einsatz vieler geworden, und die Orgel in Jauer wäre ohne Deine unermüdliche, geduldige, bohrende Initiative und die Unterstützung der Familie Richthofen sowie vieler anderer nicht zu neuem Klang erwacht, dabei hat Dir Deine Ehefrau Edda treu zur Seite gestanden. Manche Steine mussten buchstäblich aus dem Weg geräumt werden, viele Opfer waren zu bringen und immer wieder galt es Gelder zu sammeln, ... bis die Friedenskirche in Jauer vor dem Verfall gerettet werden konnte. Jedoch seien wir uns bewusst, diese Kirche ist nicht nur ein Baudenkmal, inzwischen von der Unesco ausgewählt, sondern sie soll auch weiterhin eine Stätte des Zuspruchs und der Weitergabe des Wortes Gottes sein, - auch Konzerten geistlichen Begegnungen etc. dienen, - das wir in uns verinnerlichen und bekunden!

Frau v. Altrock

Benutzte Literatur:
Das war Glogau 1913-1945, Hannover 1991
Glogau im Wandel der Zeiten, Würzburg 1993
Die Friedenskirche zu Glogau, Ulm 1966
Neuer Glogauer Anzeiger, Nr. 12, 2003, Darin: Gedenkstätte "Schifflein Christi", S. 10.

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