Rauschwitzer - Ecke Piolettistraße. Das Eckhaus ist aus Glogauer Zeit erhalten. Unten befand sich damals eine Gaststätte. Links im Bild, Gebäudeteile des ehem. Bethanien-Krankenhauses. Die Piolettistraße zählte damals nur 3 - 4 Hausnummern. Sie endete vor einem Schrebergartengelände.

Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 4, April 2003

Die Friedhöfe in Glogau

Als noch alles so war wie es in unserer Erinnerung lebendig ist, gab es in Glogau 8 Friedhöfe. Auf 5 dieser Begräbnisplätze fanden bis 1945 Beerdigungen statt.

Der stillgelegte Alte Kath. Friedhof befand sich am Ende der Viktoriastraße, angelehnt an die Randbebauung der Pionier-Kaserne. Zu Zeiten seiner Gründung lag er also weit vor der Stadt und dem Breslauer Tor.

Ein bisher kaum erwähnter Todesacker, ein Jüdischer Friedhof, befand sich einst auf dem Gelände des E-Werks. Er fiel 1857 dem Bau der Anschlussstelle an die Niederschlesische Zweigeisenbahn von Glogau nach Lissa zum Opfer. Von März bis Mai 1857 wurden dabei über 300 Verstorbene auf den vierten und letzten Jüdischen Friedhof an der Promenade überführt.

Einer Zeitungsmeldung zufolge wurden 1906 noch einmal 106 Tote exhumiert und auf dem Neuen Jüdischen Friedhof wiederbestattet.

Obwohl nach religiösem Brauch auf dem jüdischen Friedhof die Toten in alle Ewigkeit ihre letzte Ruhestätte finden und die Gräber nicht nach Ablauf einer bestimmten Frist, wie auf christlichen Friedhöfen, für neue Bestattungen freigegeben werden, kam es zwischen der Stadtverwaltung und der jüdischen Gemeinde zu dieser Übereinkunft.

In dem Buch "Stadt des Glaubens - Geschichte und Kultur der Juden in Glogau", schreiben die Autoren Franz D. Lucas und Margret Heitmann, u.a. auch über die Schichte dieses Friedhofs und nennen die Namen eines Teils der dort Exhumierten. Aus den Grabsteinen eines Teils der Umgebetteten, entstand auf dem Neuen Jüdischen Friedhof eine Art Museum.

Darüberhinaus berichten die Autoren, dass es im Verlauf der Jahrhunderte in und um Glogau weitere jüdische Totenhaine gegeben habe, die in der wechselvollen Geschichte, durch Auflösung oder Ablösung der jeweiligen Potentaten geschlossen wurden.

Bevor ich mich der Existenz der weiteren Glogauer Todesäcker widme, sei vermerkt, dass von den 6 bestehenden nur noch der einstmals Neue Kath. Friedhof an der Rauschwitzer Straße vorhanden ist. Die als Halbbogen gegliederte Front beiderseits der Friedhofskapelle ist weitgehend erhalten und in ansehnlichem Zustand. Auch der Hauptweg, mit der am Ende gelegenen Kreuzigungsgruppe und dem Kreuzweg mit seinen Stationen, hat den Krieg überlebt. Einige Grabsteine von deutschen Glogauer Bürgern sind ebenfalls verblieben. Meine Großeltern und zwei Schwestern meiner Mutter wurden dort bestattet.

Vom Neuen Evangelischen Friedhof an der Rauschwitzer Straße, stand bis 1991 der Torbau mit seinem imposant gestalteten Eingangstor. Der Weg zur Friedhofskapelle war zu diesem Zeitpunkt überwuchert. Die Kapelle eine Ruine. Bei einem kurzen Besuch an dieser Stelle wurde ich unfreiwillig Zuschauer bei einer Motorrad-Geländefahrt über das wellige Erdreich der ehemaligen Grabhügel rechts und links des Eingangsbereiches.

Zur Gemeinde der Domkirche auf der Oderinsel gehörte ebenfalls eine Begräbnisstätte. Es war eine kleine, sehr gepflegte Anlage, mit besonders schönen Grabmälern. Die schwere Zerstörung der Backsteinkirche aus dem Mittelalter, war auch das Aus für diesen Friedhof.

Der Alte Ev. Friedhof und der Garnisons-Friedhof an der Promenadenstraße, wurden im Zuge von Straßenarbeiten in diesem Bereich beseitigt, ein sehr groß angelegter Kreisverkehr wurde über Teilen der Friedhöfe angelegt. Es ist schwer festzustellen, zu welchen Anteilen die beiden Totenhaine in den Straßenverkehr der Stadt aufgegangen sind. Als Friedhof oder deren Reste sind sie nicht mehr zu finden.

Zur Situation der Glogauer Friedhöfe, einschließlich des Jüdischen, schreibt der Breslauer Journalist Erwin Hirschberg, der 1954 auf einer Reise durch Schlesien auch Glogau besuchte unter anderem (Zitat): . . . Sie betätigten sich als Leichenfledderer und Friedhofsschänder, wobei sie auch die Gräber ihrer gefallenen Landsleute und der Russen nicht schonten.

Als später sowjetische Kommissionen nach den Gräbern gefallener Rotarmisten suchten, mussten sie feststellen, dass sich die Anlage eines großen Friedhofes erübrigte. Es waren keine Gräber mehr zu finden. Was in Glogau an Scheußlichkeiten gegenüber allen am Kampf beteiligten Nationen geschah, kann auch nicht annähernd wiedergegeben werden.

Weiter berichtet Hirschberg (Zitat): Erst 1949 wurde die letzte organisierte Bande in Glogau ausgehoben, die sich in den Trümmern der ehemaligen Lüttich-Kaserne (wo sie ein Konservenlager noch aus deutscher Zeit entdeckt hatte ) verschanzt hatte. Hiernach erst konnte an eine Verwaltung der Wüstenei von Glogau gedacht werden.

Aus eigener Anschauung ist mir der Juden-Friedhof sehr vertraut, der zwischen der Rauschwitzer- und der Lindenruher Straße angelegt war da ich mit meinen Eltern einige Jahre auf der Piolettistraße, gegenüber dem Bethanien-Krankenhaus wohnte.

Der Zugang zum Haupttor des Friedhofs führte zwischen der Villa Kursedim und einem eingezäunten Gartenfeld, an welches sich ein großer Sportplatz mit einer Turnhalle anschloss. Rechts des Weges, der wie eine Allee beiderseits von Bäumen gesäumt wurde, war die Sicht durch einen hohen Zaun versperrt. Dahinter befanden sich die Seilerei-Anlagen der Firma Kursedim. Das Geräusch der Seilereimaschinen, das unüberhörbar den ganzen Weg entlang begleitete , habe ich noch immer im Ohr.

Eine Zeit lang war dieser Weg, den wir "Judenweg" nannten, mein Kurs den ich morgens zur Schule nahm. Am Ende dieser etwa 100 Meter langen Achse, lief man direkt vor das hohe, schmiedeeiserne Tor des Jüdischen Friedhofs. Für alle darauf bestatteten jüdischen Bürger von Glogau waren diese hundert Meter die letzten ihres Erdendaseins.

Bernhard Gertkemper erwähnt den Jüdischen Friedhof in seinem Beitrag, "Die Jüdische Gemeinde" in dem Buch "Das war Glogau" auf Seite 306/307. Er schreibt: Selbst der jüdische Friedhof ist verschwunden, sein Platz nicht mehr erkennbar. Einzelne Grabsteine fanden Besucher in der Nähe der Rathausruine - aus unbekanntem Grund und zu unbekanntem Zweck dorthin verschlagen.

Bemerkenswert ist, dass bisher nur diese wenigen Zeilen über die Ruhestätten unserer Toten nachzulesen sind. Obgleich, so darf man vermuten, viele unserer Angehörigen dort zurückbleiben mussten, ist ihnen kaum ein Wort des Gedenkens zuteil geworden.

In tiefste Vergessenheit sind eine letzte Gruppe von Toten geraten - Glogauer Bürger und Soldaten die es zufällig dazu bestimmt hatte, in den Mauern der Stadt Kriegsdienst zu leisten. Sie sind nicht nur vergessen, sondern viele von ihnen werden namenlos bleiben, was immer auch geschieht.

Anonym werden auch jene Toten bleiben, die in den Kellern ihrer Häuser verschüttet wurden. Sind sie je gefunden worden - gibt es ein Protokoll darüber?

Das alles gehört zur Bilanz dieses schrecklichen Krieges, die für Glogau besonders hart ausfällt. Mein Bericht soll nicht nach Recht und Unrecht fragen. Jeder Krieg ist einer zuviel, weil er das Böse entfesselt und die Zerstörung sucht.

Die ihn überlebt haben, sollten jedoch den Versuch machen, die Schmerzen zu lindern. - Da ist noch viel zu tun!

Hans-J. Gatzka

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Die Villa Kursedim, benannt nach dem Besitzer der Glogauer Seilerei Kursedim. Das Gebäude steht an der Rauschwitzer Straße, gegenüber der Piolettistraße. Links neben dem Mast, befand sich der Eingang zum Judenweg. Das quer stehende Gebäude entstand in polnischer Zeit. Dahinter der Jüdische Friedhof.