Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 3, März 2003

Die Glogauer Jesuitenkirche

von Eugen Kretschmer

1. Erbauung und Ausschmückung
(1696-1758)

2. Die Verwüstung durch Feuersbrunst (1758)

Neu herausgegeben von Josef Wagner,

Geistlicher Rat in Hildesheim

Vorwort des Herausgebers

Nach der Neuherausgabe der Geschichte der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus (1981) und des Mariendomes (1962) wurden Wünsche laut nach einer Neuauflage der Geschichte der Jesuitenkirche. Diese Wünsche sind berechtigt.

Für die Herausgabe standen die Werke von Universitätsprofessor Dr. Patzak-Breslau und Studienprofessor Kretschmer- Glogau zur Verfügung. Das erstgenannte Werk musste ausscheiden, weil es als wissenschaftliche Abhandlung über den Erbauer der Kirche nur für einen kleinen Kreis von Interessenten in Betracht kam, für die ein Neudruck . sich nicht lohnte. Als Ziel stand mir vor Augen, die Allgemeinheft für die alte Heimat zu interessieren, den vertriebenen Glogauern ein Wiedersehen mit ihrer lieben, schönen Jesuitenkirche wenigstens in gedruckter Form zu ermöglichen, seitdem und solange es ihnen verwehrt ist, an Ort und Stelle sich ihrer zu erfreuen. So entschied ich mich für die Darstellung von Professor Kretschmer. Der Verfasser zeigt uns die Kirche in ihrer historischen Entwicklung und ist ein Wegweiser für die Betrachtung bei einem Besuch.

Darüber hinaus soll die Neuherausgabe ein Gedenkblatt für den am 26. il. 1959 in Friesen verstorbenen, in Glogau beliebten und verehrten Verfasser sein, der sein schaffendes Leben in Glogau verbrachte und in den langen Jahren seiner Tätigkeit als Religionslehrer am kath. Gymnasium die Kirche und das ehemalige Jesuitenkolleg (später Gymnasium) verständlicher Weise liebgewonnen hatte. Wohl keiner der Kenner der Kirche stand länger als er in so inniger Beziehung zu ihr. Jahrzehnte lang war die Jesuitenkirche gleichsam seine Pfarrkirche für die Schülergemeinschaft. Auf ihrer Kanzel hat er ungezählten Schülern das Wort Gottes verkündigt. Gerade ihnen dürfte das Büchlein ihres Religionslehrers willkommen sein als Erinnerungsgabe an die Pennälerzeit und als Ausdruck der Verehrung für ihren früheren Religionslehrer.

Aber auch ohne diese persönlichen Beziehungen verdiente die Beschreibung der Jesuitenkirche die Wertschätzung aller Glogauer und darüber hinaus aller Liebhaber schöner Bauwerke.

Wie alle Kirchen in Glogau wurde auch sie ein Opfer dar Kriegsereignisse des 2. Weltkrieges. Wie berichtet wurde, haben die, Polen sie wieder hergestallt, freilich in ihrer Weise, und benutzen sie wieder für ihre Gottesdienste. Damit ist der Zweck jeden Gotteshauses wieder erfüllt, und wir wollen Gott dafür dankbar sein. Ob freilich ihre heutige Gestaltung mit dem früheren Aussehen übereinstimmt, wird erst später, wenn die Trennungsschranken zwischen Ost und West fallen, an Hand des Werkes von Professor Kretschmer festgestellt werden können.

Hildesheim, Weihnacht 1963

Der Herausgeber

A. Baugeschichte

"Die Baugeschichte der Glogauer Jesuitenkirche ist noch aufzuklären", so beginnt Prof. Dr. Patzak seine Abhandlung über unser Gotteshaus. Immerhin steht wohl folgendes fest.

1. Erbauung und Ausschmückung (1696 - 1758)

I.

An der Stelle, wo sich heute die Jesuitenkirche erhebt, stand seit 1403 ein Fronleichnamskirchlein. Es muss ziemlich dürftig gewesen sein. Weder massiv noch gewölbt. Die Decke war mit Leinwand überzogen und mit alttestamentlichen Bildern geschmückt. Reste von den Grundmauern dieser ältesten Fronleichnamskirche Glogaus sind an der nördlichen Seite der Jesuitengruft noch wahrnehmbar.

Das Gelände um diese Kirche zwischen Fronleichnamsgasse (jetzt Breslauer Straße) und Spittelgasse (jetzt Jesuitenstraße), in der Länge von 70 Schritt und in der Breite von 50 Schritt, hat am 19. September 1653 die Gesellschaft Jesu der Stadt Glogau abgekauft zur Errichtung des Jesuitenkollegs. Hand in Hand mit dessen Erbauung im Frühjahr 1654 ging die Herstellung einer Notkirche - natürlich Fronleichnamskirche -, die noch in demselben Jahre am Sankt-Bartholomäus-Tage (24. August) feierlich benediziert wurde. Diese Notkirche war kein unansehnlicher Bau: ihre Maße betrugen 40 Fuß Höhe, 60 Fuß Breite und 70 Fuß Länge. Auf dem Hochaltar befand sich ein vergoldetes Tabernakel, das der Landeshauptmann Freiherr von Fernamont gestiftet hatte. Auch einen Marien- und Armenseelen-Altar wies diese Kirche auf. Wegen des sehr zahlreichen Besuches seitens der Gläubigen wurden 1656 Seitenchöre eingebaut. Am 15. Juli 1663 fand unter großer Feierlichkeit die Übertragung der Reliquien der heiligen Märtyrer Abundantius und Cölestinus in diese Notkirche statt.

Inzwischen waren den Jesuiten namhafte Schenkungen von geistlicher und weltlicher Seite zugegangen. Sie konnten daher im Jahre 1696 zum Bau des eigentlichen Gotteshauses, eben der heutigen Jesuitenkirche, schreiten. Der schöne Entwurf stammt von dem Bunzlauer Ratsbaumeister Giulio Simonetti. Er stellte bis 1699 die erste Hälfte der Kirche fertig. Noch in demselben Jahre kam die alte Fronleichnamskirche zum Abbruch, behufs Errichtung der zweiten Hälfte des Neubaues. 1700 wurde das Kircheninnere eingewölbt und das Dach hergestellt. Als Dachreiter diente ein zierliches Glockentürmchen mit vergoldetem Knauf, über dem der kaiserliche Adler schwebte; darüber eine von Engeln getragene Hostie.

Am 22. März 1702 hat der Glogauer Archidiakon Wilheim von Palland im Auftrage des Bischofs die neue Kirche benediziert, und in der Auferstehungsnacht am 15. April hielt der Heiland im Sakrament vom heiligen Grabe aus seinen Einzug in das neue Gotteshaus; mit ihm die Reliquien der heiligen Märtyrer Abundantius und Cölestinus. Infolge reicher Zuwendungen konnten im Innern der Kirche Kapellen geschmückt und Altäre in ihnen errichtet werden; auch der Ausbau der Vorderfront ging rüstig voran. Das Gotteshaus stand vor der endgültigen Fertigstellung.

Da geschah etwas unerwartet Schmerzliches!

Am 17. August 1711, in einer stürmischen Gewitternacht, traf ein Blitzstrahl das Dachtürmchen und zündete. Alsbald stand die Kirche in Flammen! Das Dach brannte ab; das Gewölbe stürzte brennend herunter. Altäre, Kanzel und Bänke wurden ein Opfer des Feuers. Nur die beiden Kapellen rechts und links des Hochaltars blieben von den Flammen verschont. Unerschrocken nahm der damalige Rektor Lober sofort die Wiederherstellung des Gotteshauses in Angriff, und zwar, nachdem Simonetti wegen eines Zwistes mit dem Bauherrn betr. einer Bauplanänderung zurückgetreten war (+ 1716 in Berlin), mit einem neuen Baumeister, dem durch die Breslauer Jesuiten-Bauten bestbekannten Blasius Peitner.

Die Beseitigung der Bauschäden wurde so tatkräftig durchgeführt, dass bereits am 15. November 1711 in der Jesuitenkirche (am Hochaltar und in vier Kapellen) wieder celebriert, auch gepredigt und beichtgehört werden konnte. 1712 fand die Neueinwölbung und Bedachung der Kirche statt. Über dem Presbyterium erhob sich jetzt ein Glockentürmchen mit vergoldetem Strahlenkranze.

Von 1713 bis 1715 erbaute Peitner die Westfront und die beiden Türme. Letztere wurden 1715 mit Kupfer eingedeckt und mit feuervergoldeten Knäufen und ebensolchen spanischen Kreuzen geschmückt. Wie der Schleuensche Stich "Großglogau um 1740" zeigt, hatten die Jesuitenkirchtürme nicht die heutige Form, sondern waren mit ihren wirkungsvollen Barockhelmen dem jetzigen Rathausturm ähnlich.

Inzwischen schritt die Innenausstattung rüstig voran. Der vordere Abschluss des Chores, der Triumphbogen, erhielt 1713 einen von vier Engelsgestalten gerafften Stuckvorhang. Zum Fußbodenbelag fand schwedischer Marmor Verwendung. Die Emporen bekamen hölzerne Brüstungen. Nachdem noch die Sitzbänke und die Glasfenster angebracht waren, konnte das Gotteshaus im Jahre 1724 seiner erhabenen Bestimmung feierlich übergeben werden: ein Schüler des Glogauer Gymnasiums, Elias von Sommerfeld, Weihbischof von Breslau, weihte am 5. Juli die Altäre des heiligen Ignatius und Franziskus Xaverius, consecrierte am 6. Juli die Kirche, celebrierte am neu geweihten Hochaltar und spendete an 500 Personen die hl. Firmung. Als jährliches Kirchweihfest wurde der 5. Sonntag nach Pfingsten bestimmt.

1726 erhielt die Kirche durch eine Schenkung des Jesuiten-Paters Georg Bernert ihr schönes Geläut. 1730 ward an die Fassade die letzte Hand gelegt: sie erhielt die beiden Standbilder und die anderen Ornamente, insbesondere den ungemein feinen Balustraden-Balkon über dem Hauptportal. 1740, gegen Beginn des ersten schlesischen Krieges, war auch die Orgel fast fertiggestellt.

II.

Ein Blick in das damalige Innere des Gotteshauses zeigt uns einen seltenen Reichtum an Altären, Statuen und Bildern. Die Wohltäter hatten sich an Schenkungen fast überboten, um die acht Kapellen zu schmücken, die das Kirchenschiff umgaben. Es waren dies, beim Hochaltar angefangen, nach der Straßenseite zu: die Marien-, Josephs-, Ignatius- und Joh.-von-Nepomuk-Kapelle; nach der Hofseite zu: die Kreuz-, Franz-Xaverius-, Anna- und Schmerzhafte-Mutter-Kapelle.

1. In die Marien-Kapelle wurde bei der Benediction des Gotteshauses 1702 die Statue der "seligsten Jungfrau vom heiligen Blute" übertragen. Den neuen, auf 1000 Florin geschätzten Marienaltar auf dem das Standbild 1703 Aufstellung fand, hatte Graf Heinrich von Nimptsch, der Glogauer Landeshauptmann, errichtet. 1723 und 24 erhielt die Marienstatue goldene und silberne Verzierungen und eine kunstvolle Umrahmung. In dieser Kapelle ließ der Fürst Adam von Liechtenstein 1737 seiner Gemahlin ein Grabdenkmal setzen, dessen Sarkophag aus echtem schwarzen Marmor auf einem Unterbau von dunklem Stuckmarmor ruht. Es bildet noch heute eine Zierde des Gotteshauses.

2. Den Altar für die Josephs-Kapelle stiftete 1715 Graf Bernhard von Herberstein, vormaliger Landeshauptmann des Herzogtums Glogau.

3. Die Ignatius-Kapelle und ihr Altar gingen auf das Jahr 1702 zurück, auf eine Schenkung der beiden gräflichen Brüder Wenzel und Nostitz, Landeshauptmann von Wohlau.

4. Die Ausschmückung der Kapelle zum heiligen Johannes von Nepomuk war ein Werk der Fürstin von Liechtenstein, der Schwester des Fürsten Adam von Liechtenstein. Sie schenkte 1729 1000 Florin rheinisch für einen Altar zu Ehren des heiligen Johannes von Nepomuk und für einen Altar des heiligen Judas Thaddäus. 1730 wurde die Kapelle mit Marmorstuck ausgelegt und ein neues Joh.-v.-Nepomuk-Bild für 200 Florin in ihr angebracht. Auch fand 1739 auf dem Nepomuk-Altar ein Bild des heiligen Aloysius, das 1743 einen kostbaren Baldachin mit Vorhängen erhielt, Aufstellung.

5. Den Altar der Kreuz-Kapelle errichtete für 1000 Taler der Glogauer Landeshauptmann Graf Wolfgang von Frankenberg im Jahre 1716. Er ließ diese Kapelle, weil sie seit 1709 das Grabmal seiner Gemahlin Magdalena barg, auch mit kunstvollen Malereien schmücken.

6. Zur Kapelle des heiligen Franziscus Xaverius schenkte Graf Wenzel von Nostitz im Jahre 1701 200 Florin. Ein Franz-Xaver-Altar stammte von ihm und seinem Bruder Ludwig aus dem Jahre 1702. Der jetzt dort vorhandene Marmoraltar nebst der Statue des Heiligen kostete eineinhalbtausend Taler. Ihn stiftete 1717 Graf Wolfgang von Frankenberg.

7. Der Altar der Anna-Kapelle wurde 1716 aus einem Vermächtnis des Grafen von Churschwandt erbaut.

8. Auf dem Altar der schmerzhaften Mutter-Kapelle fand 1739 ein besonders kunstvolles Bild des heiligen Stanislaus Kostka Aufstellung, das als Seitenstück zu dem auf dem Nepomuk-Altar befindlichen Bild des heiligen Aloysius dienen sollte.

9. Auf dem Hochaltar prangte seit 1715 ein mit Silber ausgelegtes und mit böhmischen Steinen geschmücktes Tabernakel. Über ihm befand sich seit 1739 das große Abendmahlsbild: ein Geschenk des fürstlichen Hauses Liechtenstein. Damit es "von Schmutz und Staub nicht leide", ward es unter einem Baldachin aufgestellt. "Rapit et capit intuentium oculos", "es ergreift und fesselt die Augen des Beschauer", schreibt der Chronist von dem Bilde. Beim Brande 1758 hat es so gelitten, dass es durch die jetzige Kopie ersetzt werden musste.

III.

Über weiteren damaligen Bildschmuck des Gotteshauses berichten die litterae annuae der Jesuiten in folgenden Notizen:

1705 wurden der Kirche zwei Bilder geschenkt, "David vor der Bundeslade" und "Das eucharistische Wunder in Waldtkuren".

1713 "versahen wir zwei Kapellen mit schönen Malereien".

1716 "die großen Bilder" - wahrscheinlich an den Decken der Kapellen - "wurden mit großer Kunst gemalt und mit prächtiger Umrahmung verziert".

1735 bekam ein Aloysius-Bild "in besonders kostbarer Verzierung" seinen Platz auf dem Hochaltar.

1738 wurden die "Wände mit symbolischen und geschichtlichen Darstellungen geschmückt".

In demselben Jahre fand am Hochaltar ein Standbild des heiligen Franz. Xaverius Aufstellung, das den Heiligen zeigt, "wie er sich begeistert dem Heiland für die Missionsarbeit zur Verfügung stellt".

Diesen Bericht des Chronisten ergänzt der Porträtmaler G. F. Raschke 1827. Ihm zufolge war die Rückwand der Marien-Kapelle, also die Wand bei der Kanzeltreppe, mit einer "großen Fresko-Vorstellung" geschmückt: "oberhalb das Paradies, unterhalb eine Hungersnot darstellend."

In der Kreuz-Kapelle, an der Rückwand, gegenüber dem Sakristei-Eingang, befand sich ein Gemälde: "Christus am Ölberg ohnmächtig in den Armen eines Engels; mehrere Engel schwebten in den Wolken." An der Decke: "Die Heilige Hedwig in einer Glorie, umschwebt von Engelsgruppen, welche die Marterwerkzeuge des Erlösers trugen." Im Bogen: "Schwebende Engel mit Blumen-Girlanden." Das Bild in der Josephs-, jetzt Judas-Thaddäus-Kapelle "stellt die drei indischen Märtyrer aus dem Jesuiten-Orden vor".

Wenn wir die Zahl der Altäre ins Auge fassen und ihren Schmuck sowie die vielen mit großen Geldmitteln in kunstvoller Ausführung geschaffenen Statuen, Bilder und Malereien an Decken und Wänden, dann ergibt sich als Gesamteindruck:

Keine Kirche Glogaus wird in jener Zeit der Jesuitenkirche gleichgekommen sein an Ebenmaß der Form wie an Schönheit der Ausstattung.

Leider sollte dieses prächtige Gotteshaus sich nicht lange seines Glanzes freuen.

2. Die Verwüstung durch Feuersbrunst (1758)

Der Pfingstsonnabend des Jahres 1758, der 13. Mai, wurde zu einem Unglückstage. Es war inmitten des Siebenjährigen Krieges; das Jesuiten-Kolleg diente für österreichische Kriegsgefangene als Lazarett. Dort brach ein Großfeuer aus, das in der Kirche, im Kolleg und in der halben Stadt Glogau entsetzlichen Schaden anrichtete.

Da viel Proviant verbrannt war, mussten die Jesuiten 7000 Taler Entschädigung zahlen. Ihr eigener Schaden betrug 78 000 Taler. Bei Kriegsende hatten sie im ganzen 150 000 Taler Schulden. Sie waren deshalb genötigt, 1770 ihren Vermögenszusammenbruch anzumelden.

Bei dieser Sachlage konnte an einen Wiederaufbau der Kirche nicht gedacht werden. Während das Kolleg (Gymnasial-Gebäude) 1788 wiederhergestellt wurde, kam es erst 1796 zur Instandsetzung des Gotteshauses.

Fast 40 Jahre lang (1758-1796) war die Jesuitenkirche eine Ruine!

Fortsetzung folgt

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