Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 3, März 2008

Der Kampf um die Festung Glogau Teil 2

Die Russen

Am 12. Januar 1945 durchbrachen die sowjetischen Streitkräfte die Abwehrfront an der Weichsel und traten in mehreren Stoßkeilen zum Vormarsch nach Westen an. Der Stoßkeil der 1. Ukrainischen Truppen des Marschalls Konjew erreichte die Oder und bildete bei Steinau zunächst einen starken Brückenkopf. Von dort aus drangen sie dann weiter nach Westen vor. Am 12. Februar wurde die Festung Glogau durch Teile der 3. sowj. Gardearmee eingeschlossen. 7 Wochen wurde um Glogau gekämpft. Das Gros der 3. Gardearmee setzte den Vormarsch nach Westen und in Richtung Berlin fort. Der deutschen Festungsbesatzung von ca. 6000 Mann standen etwa 30000 Russen gegenüber: 3 Schützendivisionen, 1 Gardepanzerbrigade mit 62 Panzern, 1 Brückenbaubrigade, 1 Ing. Pionierbrigade, starke Artillerie- und Granatwerferkräfte, Bombenfliegereinheiten und Jagdflieger. Trotzdem ging das Ziel, die Festung Glogau schnell einzunehmen, um den Weg nach Westen und Berlin freizuhalten, nicht auf. Zur Verstärkung der Belagerungskräfte wurde deshalb die 197. sowjetische Schützendivision herangeführt. Der Schwerpunkt der Kampftätigkeit um Glogau verlagerte sich auf den äußeren Verteidigungsgürtel der Stadt. Im Südosten rückten sowj. Sturmabteilungen bis an die Zarkauer Schiffswerft und die Lüttichkaserne vor. Im Süden wurde um das Stadion und die Rauschwitzer Straße gekämpft. Von sowj. Seite wurden Artillerie und Granatwerfer von der Bismarckhöhe aus eingesetzt, Bombenangriffe und Panzer unterstützten diese Angriffe auf die zähe verteidigte Lüttich-Kaserne. Sie fiel -- völlig zerstört - nach erbittertem Kampf am 15. März 1945. Im Süden und Südosten konnte die Belagerung jetzt an die Friedhöfe, das Standortlazarett und die Hindenburgkaserne vorgeschoben werden, also praktisch bis zum Inneren Verteidigungsring der Stadt. Zur Belagerung/Eroberung der eingeschlossenen Stadt standen den Russen kampferprobte und gut bewaffnete Soldaten zur Verfügung, unterstützt durch Luftwaffe, schwere Artillerie und Panzerverbände. Inzwischen war die Hindenburgbrücke durch einen Volltreffer (oder bei Artilleriebeschuss durch Selbstzündung der an der Brücke angebrachten Sprengladungen) zerstört worden, so dass die Verbindung zur Dominsel damit unterbrochen war.

Das Ende der Festung Glogau

Ab dem 15. März 1945 wird Glogau nur noch innerhalb des Inneren Festungsgürtels verteidigt. Dabei ist die direkte Verbindung zu den Kämpfern der Dom-Vorstadt wegen der zerstörten Oderbrücke nicht mehr möglich. Die Stadt wird weiter systematisch zerbombt und zusammengeschossen, sie steht unter Dauerbeschuss. Sowj. Scharfschützen schießen auf alles, was sich in der Stadt bewegt. Die Zivilbevölkerung kann sich nur noch in den Kellern des Stadtzentrums aufhalten. Ein in der alten Michaeliskaserne gelagertes Inf. Munitionslager fliegt in die Luft. Die großen Heeresmagazine Nr. 1 und 2 werden durch Phosphorbomben vernichtet. Man hatte aber schon vorher vorsorglich Lebensmittel in verschiedenen Kellern auch am Wilhelmplatz eingelagert, so dass die Verpflegung der Kämpfer und Zivilisten gesichert wer. Dafür wurde aber die Wasserversorgung problematisch. Die zentrale Wasserversorgung fällt am 19. März 1945 durch Artilleriebeschuss aus. Trinkwasser kann nur noch nachts aus den wenigen Brunnen geholt werden, Löschwasser für die brennenden Häuser wird über Schlauchverbindungen aus der Oder entnommen. Bei kleineren Brandherden wird auch versucht, sie aus dem überreichen Vorrat der Bauch'schen Weinkeller zu löschen. Vom Westen her greifen auch Einheiten der sowjetischen 389. Schützendivision in die Kämpfe um die Bahnhofsanlagen ein, wo das Reichsbahn-Volkssturmbataillon unter hohen Verlusten Widerstand leistet. In der Stadt gibt es erbitterte Straßenkämpfe. Die sowjetischen Soldaten dringen, unterstützt durch schwere Waffen und Schlachtflugzeuge, immer tiefer in die Stadt ein. Am 30. März stehen sie bereits am Milchhäuschen, Friedrichseck und der Oberrealschule. Die Stärkefabrik, die Pestalozzischule und die Hindenburgkaserne gehen verloren. Das Kreishaus am König-Friedrich-Platz wird auf Befehl des Festungskommandanten verteidigt, um den Westabschnitt Glogaus zu sichern. Es kann aber nicht gehalten werden. Ende März 1945 gelingt den sowj. Truppen der Durchbruch über den Kriegerdenkmalsplatz zur Oder. Sie erobern die Oberrealschule, das Kreishaus und das Schloss. Damit ist die Festung auch in einen östlichen und einen westlichen Verteidigungsabschnitt geteilt, die eigenverantwortlich handeln müssen. Am 31. März 1945 stehen sowjetische Truppen auch vor dem Flemminghaus, dem letzten Befehlsstand des Festungskommandanten. Funkverbindung zur Kommandantur und den übrigen Befehlsstellen sind unterbrochen, ebenso alle Drahtverbindungen. In dieser aussichtslosen Lage kommt vom Festungskommandanten die Meldung: Die Festung ist frei, handle jeder nach eigenem Ermessen. Eulenburg." Das war das Ende des zentral organisierten Widerstandes der Festung Glogau. Die überlebenden Soldaten wurden ihres Fahneneides entbunden, es wurde ihnen freigestellt, sich durch die feindliche Front nach Westen durchzuschlagen. Das nutzten 3 Ausbruchsgruppen, insgesamt etwa. 800 Mann, dabei auch Oberst Graf zu Eulenburg. Es gelang ihnen zunächst, auf verschiedenen Wegen den sowjetischen Sperrgürtel zu überwinden. Sie waren aber nur unzureichend mit Gewehren, wenig Munition und einigen Panzerfäusten bewaffnet und wurden später fast völlig aufgerieben. Nur wenige erreichten die deutschen Linien. Es gab offensichtlich keine Gesamtkapitulation der Festung, sondern Teilkapitulationen einzelner Kampfeinheiten. ÏIn der Nacht des 30. März 1945 wird auf dem Bahnhof die weiße Fahne gehisst. ÏAm 1. April 1945 kommt es in Rauschenbach zu Übergabeverhandlungen zwischen Major d. R. Fritsche vom östlichen Verteidigungsabschnitt und dem sowjetischen Oberkommandierenden. Am 1. April 1945 (Ostersonntag) wird die weiße Flagge auch am Turm des Klarissen-Klosters gehisst. Der Kampf um Glogau ist zu Ende, die Stadt nahezu völlig zerstört. Nach der Übergabe wird die Stadt etwa eine Woche von den Siegern planmäßig geplündert. Die Verwundeten werden relativ gut behandelt, die Kriegsgefangenen abtransportiert. Besonders zu leiden hat die überlebende Zivilbevölkerung, besonders die Frauen sind der Willkür der Russen ausgesetzt. Die seelsorgerliche Betreuung der Kranken, Verwundeten und der überlebenden Zivilisten haben bis zuletzt einige katholische Geistliche aus Glogau übernommen. Etwa 2500 -3000 Tote gab es im Kampf um die Festung Glogau, Soldaten und Zivilisten. Sie wurden bis Februar 1945 auf den zwei südlichen Friedhöfen bei Rauschwitz bestattet, später auf dem Garnisonfriedhof und beim Amtsgericht an der Bürgerschule. Viele wurden auch einzeln in Vorgärten, Granattrichtern u.ä. verscharrt. Nach dem völligen Einschluss der Festung konnten die Toten - etwa 200 Soldaten und Zivilisten - nur noch nachts in einem Massengrab im Glogauer Schlossgarten begraben werden, da tagsüber wegen des Dauerbeschusses durch die Russen ein Aufenthalt im Freien nicht möglich war. Die gefallenen Russen, etwa 3500 Soldaten, sind im Pionierwäldchen bestattet worden.

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